Warum – du bist ja eigentlich ganz hübsch – kein Kompliment ist

Ich sitze im Rollstuhl vor einer Mauer mit rosanen Roesen. Das Bild ist seitlich fotografiert und ich schaue zur Kamera. In den Händen halte ich meine weißen Schuhe. Ich trage ein knielanges weinrotes Kleid. Neben mir ist ein Schild mit einem Rollstuhlfahrerparkplatzzeichen

“Du bist ja eigentlich ganz hübsch”

Mir stellen sich die Nackenhaare. Du bist ja eigentlich ganz hübsch, mag zwar nett oder lieb gemeint sein, aber es ist eine Nachricht bei der ich mich angegriffen fühle. Es ist ableistisch.

Denn das eigentlich beziehe ich direkt auf meinen Körper:

  • Eigentlich, wenn du nicht behindert wärst, oder
  • Eigentlich, wenn deine Nase nicht zu groß wäre,
  • Eigentlich, obwohl du im Rollstuhl sitzt
  • oder ….

Ich empfinde das als diskriminierend, denn es impliziert für mich:

  • Wie schade, dass du krank oder behindert bist, denn du bist ja hübsch.

Oder

  • Du siehst doch viel zu gut aus, dafür, dass du im Rollstuhl sitzt.

Diese Nachricht geht noch weiter und sie beinhaltet auch die Botschaft, dass ich an einer Krankheit leide – doch alleine das vorauszusetzen, dass ich leide – ohne dass ich gefragt wurden wie es mir geht. Dazu kommt, dass Leid weder verhandelbar noch vergleichbar ist. Jede Person die unter einer Situation – welche auch immer es ist – leidet, leidet. Jede Person hat ihren Rucksack zu tragen und wir wissen nicht ob er mit Kieselsteinen oder Sand gefüllt ist. Gleichzeitig wissen wir nichts über die Kondition der Person, die ihn trägt oder wie lange sie schon unterwegs ist.

Wir dürfen uns nicht anmaßen, andere und ihre Situationen zu beurteilen. Wir können Hilfe und Unterstützung anbieten aber niemals über griffig sein

Es fühlt sich nicht nach einem Kompliment an. 

Es fühlt sich nicht nach einem Kompliment an, weil es kein Kompliment ist.

Das bedeutet nicht, dass wir nicht auch gerne ein Kompliment hören.

Dann aber bitte ohne „aber“, „doch“ oder „eigentlich“. Diese kleinen Worte, lassen die Botschaft in eine ganz andere Richtung kippen.

Und es geht noch weiter:

„Du siehst doch ganz gut aus“ kann auch das absprechen von einer persönlichen Situation sein. Vielleicht kennt ihr das, wenn ihr Migräne oder PMS habt und dann der Spruch kommt: Du siehst doch aber ganz gut aus, kann die Belastung aberkennen. Das geschieht auch bei scheren Erkrankungen nach dem Motto: So schlecht, kann es dir gar nicht gehen, du siehst doch ganz gut aus.

Ihr merkt, das Thema ist vielschichtig und es ist so so wichtig, dass zu benennen, damit sich in unserer Sprache etwas ändert. Damit unsere Mitmenschen sensibilisiert werden, dafür was Sprache auslösen kann. Böse gemeint sind diese Aussagen denn wohl in den seltensten Fällen.

Es geht hier also nicht um meckern, sondern um aufmerksam machen.

 

Eure

wheelymum

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