Das soll kein Jammerpost werden, aber es soll ein ehrlicher Post werden. Und genau deswegen wird hier auch ein wenig gejammert werden. Nach dem Sturz vor über zwei Wochen steht unser Leben hier immer noch Kopf. Ich liege die ganze Zeit im Bett und kann nur für Toilettengänge aufstehen. Dazu nehme ich eine große Menge an Schmerzmitteln. Solche Tage gibt es immer wieder einmal und Junior kennt diese.
Aber er steckt sie trotzdem nicht so einfach weg.
Ich liege hier und er kommt zu mir. Er kuschelt sich zu mir. Wir lesen, spielen und malen miteinander. Wir erzählen uns Fantasiegeschichten und machen Kindermassagen.
Er darf zu den Großeltern und zur Tante geht mit dem Papa ins Schwimmbad und ist super tapfer. Aber dennoch ist es mehr. Er wirkt verändert. Er ist anhänglich und möchte nicht weit weg. Besucht er seine geliebten Großeltern ruft er an, er möchte wieder nach Hause. Es würde ihm jetzt reichen. Er geht nicht alleine zu den Nachbarn und man spürt immer wieder: Er will in meiner Nähe sein.
Ich komme hier an meine Grenzen und es macht mich sehr traurig und wütend. Denn ich möchte die Bedürfnisse meines Kindes erfüllen.Ohne wenn und aber. Aber ohne aber geht es nicht. Denn wenn ich nicht aufstehen kann, dann geht das nicht. Es zerreißt mir das Herz, dass ich ihn so tapfer sehe. Ich möchte nicht, dass er diese schönen Sommertage mit Sorgen um mich verbringt. Er soll seine Kindheit unbeschwert genießen. Aber es geht nicht. Und ich bin Schuld.
Das Leben ist nicht immer nur Bullerbü. Ich kann mein Kind nicht davor schützen. Ich kann ihn nur liebevoll begleiten. Ihm Angebote machen und in einem gesicherten Rahmen, Möglichkeiten anbieten, sich abzulenken und glücklich zu sein.. Und vor allen Dingen ihm das Gefühl geben, glücklich sein zu dürfen. Ohne schlechtes Gewissen. Und wenn er wieder da ist, dann darf er auch traurig sein. Er muss nicht für mich tapfer sein. Die Gefühle fahren Achterbahn, zur Trauer kommt die Wut. Es wirkt sich auf sein ganzes Verhalten und sein Wesen aus. Wir müssen uns hier immer wieder vor Augen halten, was er gerade alles durchmachen und verarbeiten muss. Geduldig, einfühlsam und nachsichtig sein. Das ganze Wesen sehen und die Gründe dahinter. Ja, das ist nicht immer einfach, wenn hier alles Kopf steht und das Kind, beginnt Sachen durch die Gegend zu werfen. Die Nerven von uns allen liegen blank. Wir versuchen einen Weg zu finden zwischen annehmen, geduldig sein und zuversichtlich und hoffnungsvoll weiterzuarbeiten.
Junior tut alles, dass es mir ganz bald besser geht. Er bastelt mir eine Galerie, macht mit mir, mit dem Rollstuhl eine Rundfahrt, bevor ich auf die Toilette gehe und bringt mir Blumen vom Garten nach oben. Für diese macht er selbst eine Vase und stellt sie mir auf den Nachtisch.
Wir picknicken zusammen bei 40^C im Bett und bauen eine Höhle. Schauen Bilder von schönen Momenten an und schmieden Ideen für seine Ferien. In diesen Momenten ist er wieder mein kleiner Junge, mein Baby. Und in den nächsten Momenten ist er das sorgende viel zu große Kind.
Es ist nicht immer einfach. Aber ich kann nicht tun, außer ihn und seine Gefühle wahr und ernst zu nehmen und ihn lieben.
Und ich hoffe das reicht.
Eure
Es tut mir sehr leid und weh, das zu lesen. Ich kann deine Sorgen und Ängste bezüglich deines Juniors so gut verstehen. Auch wir erleben hier gerade eine sehr schwierige Zeit, in der es nicht um gesundheitliche, aber um innerfamiliäre Probleme geht. Und auch ich mache mir täglich Sorgen und Gedanken, ob und wie unsere drei Kinder mit dieser Zeit umgehen können.
Ich versuche mich mit dem Gedanken zu beruhigen, den mir ganz viele liebe Freunde mit auf den Weg gegeben haben. Dass nämlich, so schrecklich sich das im ersten Moment auch anhört, Kinder die wunderbare Gabe haben im hier und jetzt zu leben. Sie konnten sich nach dem Krieg ihre Spielmöglichkeiten in den Trümmern suchen und viele Erwachsene berichten, dass sie dennoch eine “unbeschwerte” Kindheit hatten.
Ich sehe auch, dass meine Kinder an manchen Tagen traurig und belastet sind, aber sind sie das nicht auch, wenn es in der Familie einmal Streit gab, oder ein versprochener Ausflug nicht klappen konnte? An anderen Tagen jedoch sind sie völlig losgelöst und freudig und spielen und lachen wie eh und je.
Verteaue auf deinen Sohn, geniesse es, wenn er die Nähe sucht und ich wünsche euch beiden, dass diese schwere Zeit bald vorbei ist und er wieder unbeschwert sein Kindsein geniesst.
Herzliche Grüsse,
Sandra
Hallo Wheelymum,
ja, das reicht!
Du bist da, du interessierst dich für deinen Sohn. Aufmerksamkeit ist das Wichtigste. Du machst es super. Ich kann die Trauer darüber gut verstehen, dass die Kindheit deines Sohnes nicht unbeschwert ist. Aber ihr fangt es auf. Er kann froh sein solche Eltern zu haben.
Deine stille Leserin Monika
Liebe wheelymum,
ich wünsch euch allen Kraft und Zuversicht, um die Nicht-Bullerbü-Zeit einfach nur zu überstehen. Und es gibt keine Schuld…..es war ein Unfall. Keiner wollte das so.
Und Du gibts Junior alles, was er braucht: Nähe, Wärme, Einfühlen und Verständnis. Das ist sooooo viel….
Meine Liebe, auch hier noch mal meine Gedanken dazu. Ich hoffe, es geht dir bald besser – mit allem!
Ich verstehe deine Gefühle wahnsinnig gut. Auch diese Angst, Schuld daran zu sein, dass das eigene Kind nicht unbeschwert ist. Das ist hart. Aber: er ist dein Kind. Er hat ein RECHT darauf, sich um dich zu sorgen. Und vielleicht ist dieses tapfer Sein für ihn wichtig, weil er das Gefühl bekommt, er tut etwas für dich. Wenn er dir Dinge bringt, bei dir sein will, Dinge für dich tun möchte, dann ist das vielleicht Ausdruck von Sorge, aber auch der Wunsch, aktiv etwas zu tun, damit die Situation besser wird – und zwar für euch beide. Es ist sicher schwer auszuhalten, das kann ich mir gut vorstellen, aber vielleicht macht es das für dich leichter, wenn du dir vorstellst, dass das auch seine Strategie ist, damit besser umzugehen. Er möchte offensichtlich nicht geschont und weggeschickt werden, er möchte bei dir sein und etwas tun. Vielleicht ist das auch ein Aspekt…? Ich drück dich.
Alles Liebe, Anna
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Das Leben ist halt so wie es ist. Auf die wirklich heftigen Dinge haben wir keinen Einfluss. Und für uns gerade im Westen ist das leben meist noch priviligiert und gut.
Ich bin froh, dass wir kein Krieg und genug zu essen haben, wir nicht fliehen müssen. Und dass mein Mann und meine Geschwister nicht von einer Bombe zerfetzt wurden.
Irgendwie muss man sich auch immer dran erinnern alles in Perspektive zu sehen.
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