Lydia ist eine bloggende Mama. Sie ist hat zwei Kinder, einen Mann und ist blind. Ihr Mann ist sehend?! Zumnindest ist diese Frage oder Feststellung häufig ein Thema in Gesprächen. Lydia hat für die Blogreihe Eltern mit Behinderung einen Gastbeitrag über Sehbehinderung geschrieben. Ich wünsche euch viel Spass beim Lesen, wenn ihr fragen habt, immer her damit und besucht doch Lydia auch einmal auf ihrem Blog.
Dass ich blind bin, ist unübersehbar. Zum einen sieht man das an meinem Blindenstock, und zum zweiten auch schon mal an meinen Augen. Und ich selbst mache kein Geheimnis daraus. Ich sage immer, dass die Sehbehinderung einer meiner vielen Eigenschaften ist.
Wenn wild fremde Menschen von mir hören, dass ich blind bin und auch noch Kinder habe, spielt sich oft folgender Dialog ab:
Person X: Aber Ihr Mann ist doch sehend.
ich: Nein, der ist auch fast blind.
Person X: Die Kinder sehen aber.
Ich: „Ach, die sehen mehr als sie sollen.“
– Die helfen Ihnen doch bestimmt viel im Haushalt.
Spätestens hier frage ich meinen Gesprächspartner ob er oder sie als Kind viel geholfen hat. Natürlich könnte ich auch ganz einfach sagen: „Nicht mehr als andere Kinder.“ Aber ich möchte, dass mein Gesprächspartner selbst einsieht, dass seine Fragen unsinnig sind. Ich möchte, dass er begreift, dass ich für meine Kinder sorge und nicht umgekehrt.
Schon allein die Aussage „Aber Ihr Mann ist doch sehend“, sagt für mich nichts anderes aus wie „Du brauchst doch eine sehende Person, die Dich umsorgt.“ Denn schließlich können meine Eltern das ja nicht ewig tun. Im übrigen habe ich meinen Mann als erwachsene und allein lebende Frau kennen gelernt. Und nein, ich hatte und habe noch keinen Betreuer. Und sollte ich eines Tages einen brauchen, dann ganz sicher nicht aufgrund meiner Sehbehinderung.
Kommen wir zu den Aussagen: „Die Kinder sehen aber.“ Und „Die helfen Ihnen doch bestimmt viel im Haushalt.“ Diese Aussagen bekam ich schon zu hören, als meine Kinder noch in den Kindergarten gingen. Glauben die Leute wirklich, das ich ein vierjähriges Kind an den Herd stelle, um das Mittagessen zuzubereiten? Denken die wirklich, dass meine Kinder vor dem Kindergarten der Mama den Kaffee kochen und am Abend die Kartoffeln schälen?
Jeder, der eigene Kinder hat, weiß, dass diese eine selektive Wahrnehmung haben. Für Schmutz, Flecken und Unordnung sind die meisten Kinder regelrecht blind. Und das ist unabhängig von der Sehkraft oder Behinderung ihrer Eltern. Und ich wollte normal entwickelte Kinder haben, und keine dressierten Blindenhunde auf zwei Beinen.
Für eine Mutter mit Behinderung ist das Leben mit Kind ganz viel Organisation. Damit meine ich nicht unbedingt die Versorgung, sondern Dinge, die aufgrund der Behinderung nicht ohne fremde Hilfe gehen. Für mich waren es z. B. Ausflüge mit Kinderwagen, der Gang auf den Spielplatz mit einem Kleinkind, die Kontrolle des Schriftbilds beim schreiben lernen. Am liebsten habe ich mir jemanden gesucht, der mir gegen Bezahlung half. So konnte ich selbst die Art, den Zeitpunkt und die Dauer der Hilfe bestimmen.
In diesem Zusammenhang fällt mir eine kleine Geschichte ein. Meine Tochter war in der 3. Klasse, als ich eine Assistenz damit beauftragte meiner Tochter zweimal in der Woche beim Lernen zu helfen. Damit die Zusammenarbeit besser funktionierte, bat ich die Lehrerin um ein Gespräch mit mir und meiner Assistenz. Und dann kam der nächste Elternabend. Nachdem ich zwei Jahre lang Probleme mit der Elternpost hatte, fragte ich in der Elternrunde nach wer mir denn Bescheid sagen könnte, wenn es mal wieder einen Elternbrief im Schulranzen gäbe. Bei meiner Tochter funktionierte das nicht zuverlässig. Und für mich fühlt sich ein Elternbrief genauso an wie ein Arbeitsblatt. Ich hatte meine Frage kaum ausgesprochen, als die Lehrerin vor versammelter ‚Elternschaft sagte: „aber Sie haben doch eine Betreuerin. Die macht das doch.“ Natürlich habe ich das richtig gestellt. Es endete damit, dass mir zwei Eltern die Informationen aus der Grundschule per E-Mail zugeschickt haben.
Gut, inzwischen sind meine Kinder 15 und 17 Jahre alt. Ihrem Alter entsprechend übernehmen sie einige Aufgaben im Haushalt. Wie andere Teenager auch, deren Eltern Wert auf ein gewisses Maß an Selbständigkeit legen.
Danke für diese Eindrücke
Weitere Beiträge zur Blogreihe Eltern mit Behinderung findet ihr hier:
- Eine Familiengeschichte Teil 2
- Eine Familiengeschichte Teil 1
- Kinderwunsch mit Trisomie 21
- Ein sehbehinderter Papa zum Thema Elternassitenz
Eure