Am letzten Donnerstag habe ich euch Karina vorgestellt. Sie hat in dem ersten Teil ausfühlrich über ihr Leben mit dem Ehlers – Danlos – Syndrom geschrieben. Jetzt im zweiten Teil geht es nochmal vermehrt um das Thema Kinder – Kinderlosigkeit aber auch Übergriffigkeit von anderen Menschen.
Könntest du dir vorstellen, ohne deine Krankheiten Kinder zu bekommen?
Ich finde es schwierig auf eine Frage zu antworten, die von einem Zustand ausgeht, den ich nie haben werde. Wenn ich nie krank geworden wäre, dann hätte ich vermutlich irgendwann Kinder bekommen. Zumindest wenn meine Lebensumstände gestimmt hätten. Aber mit all dem Wissen und den Erfahrungen, die ich heute durch meine Behinderung habe, bin ich nicht mehr so sicher, ob ich Kinder haben würde, wenn ich plötzlich durch ein Wunder gesund wäre. Dadurch, dass ich durch meine Krankheit so viele Dinge, die ich immer machen wollte, nie machen werden könne, würde mein plötzlich genesenes Ich vermutlich auf Kinder verzichten und stattdessen lieber die Dinge nachholen, die mir die Krankheit verwehrt hat.
Bist du wütend, traurig oder ähnliches, weil dir deine Krankheiten dies verwehren?
Anfangs war ich über vieles wütend. Plötzlich krank zu sein und ein ganz neues Leben akzeptieren zu müssen, ist nicht so einfach. Auch heute bin ich ab und an noch frustriert, wenn ich gerne an einer Aktivität teilnehmen würde, aber nicht kann. Kinder sind dabei aber recht weit unten auf der Frustrationsskala. Vermutlich weil ich nicht weiß, wie es ist, welche zu haben. Alle anderen Dinge in meinem Leben fehlen mir deshalb, weil ich sie kenne. Kinder sind für mich ein abstraktes Konzept und ich war nie eine Frau, die unbedingt Mutter sein wollte. Aber klar fragt man sich ab und an, was man verpasst. Gerade wenn die meisten Menschen um einen herum im selben Alter alle Kinder bekommen.
In einem deiner Beiträge schreibst du darüber, dass es für euch im Dorf, häufig ein Small-Talk-Thema ist – Kinder, Familie usw. und jeder dazu eine Meinung hat. Wie geht es dir damit?
Ich finde es generell ziemlich unmöglich, dass Menschen meinen, eine Frau in einem bestimmten Alter müsste zwangsläufig Kinder bekommen. Mal abgesehen von meinen Gründen gegen eine Schwangerschaft, gibt es doch auch Frauen, die einfach keine Kinder mögen. Und das ist genauso akzeptabel, wie jeder andere Grund gegen Nachwuchs. Kinder zu bekommen oder nicht ist kein Small-Talk-Thema. Am Schlimmsten ist es allerdings, wenn ein einfaches ”Nein, wir wollen keine Kinder” nicht als Antwort akzeptiert wird und das Gegenüber immer weiter nachbohrt oder gar besser zu wissen scheint, was gut für einen ist. In meinem Leben gibt es oft Situation, in denen ich mich dafür rechtfertigen muss, warum ich keine Kinder bekommen will. Und selbst wenn ich all die oben erwähnten Gründe aufzähle, meinen viele mir erklären zu müssen, dass das schon alles irgendwie klappen würde, wenn das Kind dann erst mal da wäre. Und egal was man als Argument vorbringt, es zählt nicht. Ich habe das Gefühl die einzige valide Aussage wäre: ”Ich kann keine Kinder bekommen.” Aber dann gäbe es vermutlich ”kluge” Ratschläge zu anderen Möglichkeiten der Familienplanung…
Was würdest du denn anderen mit auf den Weg geben, wenn sie auf Menschen treffen, bei denen das Thema Eltern sein, gerade aktuell ist? Wie könnte man sich z.B. mit dir darüber unterhalten ohne dich zu verletzten?
Prinzipiell würde ich das Thema Kinder überhaupt nicht ansprechen, wenn ich die Lebensumstände meines Gegenübers nicht kenne. Der Wert einer Frau sollte nicht daran gemessen werden, wie viele Kinder sie in die Welt setzt oder nicht. Es gibt meiner Meinung nach keine gute Möglichkeit dieses Thema anzusprechen ohne das Risiko einzugehen, sein gegenüber in irgendeiner Form zu verletzen. Ich spreche niemanden direkt darauf an, ob sie sich Nachwuchs wünschen oder nicht. Sollte das Thema von meinem Gegenüber angefangen werden, höre ich meist einfach nur zu. Mich persönlich verletzt es nicht, wenn ich gefragt werde, ob ich Kinder haben will oder nicht; Ich finde diese Frage nur völlig unnötig. Was mich verletzt ist, wenn meine klare Antwort darauf nicht akzeptiert wird und kontinuierlich hinterfragt wird, ob das denn wirklich so sein muss…
Was denkst du, wenn du Eltern mit Kinder siehst? Oder wie hier auf dem Blog, eine Mama im Rollstuhl? Kennst du Eltern mit dem EDS?
Davor habe ich den allergrößten Respekt. Ich akzeptiere alle Lebensmodelle – ob Kind oder nicht. Das muss jede Frau, jede Familie, für sich selbst entscheiden. Dass ich keine Kinder haben will, hat mit meiner Lebenssituation, meiner Krankheitsausprägung, meiner individuellen finanziellen Situation zu tun. Andere Menschen mit EDS oder anderen Behinderungen wägen ihre eigene Situation sicher genauso ab wie ich und entscheiden sich dann für oder gegen Kinder. Ich denke jede Entscheidung ist richtig, wenn sie gut durchdacht ist. Es gibt viele Mütter, die erst nachdem sie Kinder bekommen, herausfinden, dass sie EDS haben. Aber genauso gibt es auch Frauen, die sich mit der EDS-Diagnose bewusst für Nachwuchs entscheiden. Alle diese Mütter haben sicher gute Tipps und Tricks im Umgang mit Kindern mit oder ohne EDS.
Generell ist es einfach wichtig zu wissen, ob man EDS hat oder nicht, denn dann kann man auch die Kinder testen und schon frühzeitig Vorsorgeuntersuchungen veranlassen und vor allem schädliche Therapien vermeiden. Hätte ich schon früher gewusst, was mit mir nicht stimmt – es dauerte vier Jahre nach dem Einsetzen richtig heftiger Symptome bis ich herausfand, dass ich EDS habe – dann hätte ich viele der Schäden, die durch falsche Behandlungen entstanden sind, vermeiden können.
Hast du einen Lebensentwurf? Oder Plan?
Ich habe Wünsche und Träume für die Zukunft ja. Einen wirklichen Plan kann ich nie haben, denn der Großteil meiner Pläne funktioniert in der Regel nie. Meine Krankheiten sind zu unberechenbar und realistisch betrachtet wird mein Zustand halt auch nicht besser. Es geht immer ein bisschen bergab. Das ist ok. Damit habe ich gelernt zu leben. Es ist einfach nur schwierig in die Zukunft zu planen. Einer meiner großen Wünsche für meine Zukunft wäre, durch mein Studium die Möglichkeit zu erhalten, wieder finanziell unabhängiger zu leben. Ein anderer Langzeittraum ist es, einmal rund um die Welt zu reisen. Kleinere Wünsche drehen sich um bestimmte Aktivitäten, die ich wahnsinnig vermisse, wie z. B. auf ein Metal-Konzert zu gehen (ohne meine Zustand dabei für Wochen zu verschlechtern) oder Mal wieder Volleyball zu spielen. Ansonsten will ich einfach nur das Beste aus meinem Leben herausholen. Schließlich haben wir alle nur dieses eine.
Das wünsche ich dir von Herzen. Danke für deine offenen Einblicke.
Mehr zu Karina findet ihr auf Facebook und in ihrem Blog