Erstellt am 23. Juni 2016
Heute ist die Überschrift schlichtweg der Name, der Person welche mir heute, in der Blogreihe Eltern mit Behinderungen, ein Interview gegegben hat. Sima Surkamp ist für viele Menschen in Deutschland keine Unbekannte. Wer sie noch nicht kennt, hat etwas verpasst und kann gerne mit diesem Interview einen kleinen Einblick bekommen, was diese beeindruckende Frau so stemmt.
Hallo Sima, ich freue mich sehr dass du an der Blogreihe Eltern mit Behinderungen teilnimmst. Bitte erzähle doch ein bisschen über dich.
Hallo mein Name ist Sima Surkamp, ich bin 36Jahre alt und seit 10Jahren alleinerziehende Mutter mit einer Körperbehinderung, ich habe eine Spina bifida. Mein Sohn ist mittlerweile 12Jahre alt.
Du bist Mama. Eine Schwangerschaft im Rollstuhl ist für viele Menschen schwer vorzustellen. Auch andere werdende Mütter im Rollstuhl, wenden sich an mich, weil sie ganz besondere Sorgen haben. Ich habe in meiner Schwangerschaft mit Ärzten ganz schlechte Erfahrungen machen müssen. Wie verlief deine Schwangerschaft? Hattest du Unterstützung?
Meine Schwangerschaft war bei meinem unerfahrenen Gynäkologen ebenso etwas schwierig, sie galt als absolute Risikoschwangerschaft auf Grund meiner Körpergröße, doch ich machte mich mit einer damaligen Freundin(sie ist gesund) auf die Suche nach Gleichgesinnten und fand eine „behinderten Müttergruppe in meiner Stadt“(was wirklich sehr selten ist, wie ich mittlerweile festgestellt habe), nachdem ich diese erfahrene Elterngruppe hatte, war alles sehr sehr leicht, denn Eltern gaben mir Tipps an welches Krankenhaus ich mich z.B wenden sollte, wo es auch Ärzte gibt die sich auskannten mit Schwangerschaften bei Spina bifida, ich bin also nur noch zu kleinen Routine Untersuchungen zum niedergelassenen Gynäkologen gefahren. Ich musste meinem niedergelassenen Gynäkologen regelrecht alles „beibringen“ was evtl. an Behandlungen, weiteren Ärzten für mich nötig sein könnten, wie Feindiagnostik, die häufiger gemacht wurde als sonst, humangenetische Beratung (die eigentlich sonst auch so üblich ist) ect.,Urologen usw… aber das war mir, nachdem ich den Dreh raus hatte auch ganz recht, denn dadurch hatte ich eine adäquate Versorgung.
Im 5. Schwangerschaftsmonat war kein sitzen oder anziehen mehr möglich, geschweige denn essen,da ich kaum noch Platz hatte. Fort an war ich dann stationär im empfohlenen Krankenhaus bis zur 36.Schwangerschaftswoche+4 Tage. Danach wurde mein Sohn gesund per Kaiserschnitt geholt, er war körperlich normal entwickelt, war jedoch den Ärzten zu dünn und wurde daher für 14Tage auf die Kinderintensivstation verlegt, nach diesen 14Tagen durften wir dann gemeinsam nachhause.
Die erste Zeit mit Baby ist für viele sehr hart und kann an den Nerven zehren. Hattest du eine Elternassitzenz oder wie hast du dies gemeistert?
Von der Elterngruppe erfuhr ich das ich Elternassistenz beantragen kann was ich selbstverständlich vor Einzug ins Krankenhaus tat. Ziel war es nachdem Krankenhaus direkt eine Assistenz zu haben. Niemand kannte sich jedoch aus, weder der Stadt war es bekannt, noch den Sozialarbeitern der Klinik. Also war es nicht sicher ob wir jemanden haben würden bis wir aus dem Krankenhaus zurück sind, denn der Kindsvater ja war auch berufstätig und ich wollte unabhängig leben. Als wir dann entlassen wurden, standen wir wirklich erstmal alleine da. Ich machte mich also auf die Suche nach einer Assistentin, die uns fort an begleiten sollte. Ich hatte echt Glück und fand eine die ich dann erstmal selbst finanzieren musste und das mehrere Jahre lang, denn die staatliche Hilfe, die Monate gebraucht hat, wurde mir versagt, Grund war das es angeblich keine „Elternassistenz“ geben würde die das Amt so finanziert hätte…
Wie ging es danach weiter? Hast dieses Geld irgendwann zurückbekommen? Bist du irgendwann an eine Elternassitenz gekommen?
Wie schon beschrieben habe ich meine Assistenz vorerst selbst bezahlt,mehrere Jahre lang. Das Geld habe ich nicht wieder bekommen. Die Studentin (sie studierte Rehapädagogik ) die ich ja mehrere Jahre hatte und die mich begleitete war meine Elternassistentin.
2013 stellte ich erneut einen Antrag auf Assistenz mittlerweile war ich umgezogen und etwas erfahrener jedoch war ich immer noch im selben Landschaftsverband-„Kreis“ wie zur Geburt meines Sohnes. Hieß für mich das es weiterhin nicht einfach würde, jedoch sollte diesmal nicht der Landschaftsverband die Kosten tragen sondern die Stadt.
Man bewilligte mir unrealistische Stunden im Monat denen ich widersprach, in der Zeit bewegte sich aber etwas in meinem beruflichen Werdegang, so das ein Umzug nötig war, also übertrug sich mein Antrag von einst,(welch Glück für die alte Stadt war sonst wäre es zu einem Prozess gekommen) auf die heutige Stadt die mir binnen 3 Wochen nach Umzug meine Assistenz nach meinen Bedürfnissen bewilligte, worüber ich sehr glücklich bin. Ich werde als jetzt im Alltag begleitet also nicht nur reine Elternassistenz.
Welche Reaktionen gab und gibt es von deiner Umwelt?
Es gab und gibt von Bewunderung und Achtung, bis hin zu Entsetzen „wie eine Frau wie ich einem Kind, wie meinem Sohn so etwas antuen könne“.
Ich bin dann gerne bereit mich mit dem jenigen außeinander zusetzen. Mein Sohn bekommt es heute gar nicht bis kaum noch gesagt.
Dein Kind ist heute kein Kleinkind mehr. Du bist alleinerziehend und berufstätig. Ein Knochenjob. Dazu kommt das leidige Thema Vereinbarkeit. Kannst du uns einen kleinen Einblick in deinen Alltag geben?
Mein Sohn ist Gott sei Dank schon 12Jahre alt und sehr selbstständig, dies musste er einfach auch sehr früh lernen. Ich habe nun offiziell seit 2014 Persönliche Assistenz die auch finanziert wird. Seit 2014 unterstützen mich 3 Assistenten bei der Bewältigung unseres gemeinsamen Lebens, 2 Assistenten im Privatleben und 1 Assistent im Arbeitsleben, ich koordiniere meinen festgestellten Bedarf so das nichts zu kurz kommt.
Wie reagier(t)en die Freunde deines Kindes und deren Eltern auf dich?
Mein Sohn so habe ich bis jetzt empfunden, hat immer noch sehr wenig Freunde, dieses schließe ich einfach auf mich zurück, denn es gab/gibt auch heute noch Eltern die einem ehrlich sagen das sie sich nicht vorstellen können das ich mit mehr als einem Kind zurechtkommen würde(wobei die Freunde meines Sohnes ebenso alt sind wie er und es eigentlich kaum etwas noch zu „händeln“ gibt was ich nicht händeln könnte.)
Da waren z.B. Geburtstage die ich mit meinen Assistenten minutiös geplant habe(„damit auch ja nichts schief geht und man über die „behinderte Mutter“ reden kann) und dann wird noch nicht mal zu oder abgesagt zum Geburtstag, erst als ich 2Tage vorher alle Eltern einzeln angerufen habe um zu erfragen ob nun die Kinder kommen oder nicht, kam man mit den Bedenken raus das man mir das nicht zutrauen würde, als ich angab das Assistenten dabei sind, waren sie dann beruhigter und die „Party konnte steigen“
Es war ein sehr gelungener Geburtstag und die Eltern merkten das sie nichts zu befürchten hatten, jedoch war das wohl noch nicht Beweis genug, das war schon zu Kindergartenzeiten leider so. Klassenfeste und Veranstaltungen, da werde ich immer noch sehr reserviert mit eingebunden, da denke ich viele Eltern einfach nicht den Umgang kennen mit Menschen mit Behinderung, obwohl der nicht anders sein sollte, wie wir wissen. Obwohl ich mich in der Klasse bei Veranstaltungen ect engangierte/engangiere werde ich immer noch bewundert „das ich trotz meiner Behinderung so tatkräftig mitmische“(meinst verkaufe/verkaufte ich bei den Festen Wertmarken oder nahm/nehme ich die Einnahmen für Kuchenverkauf entgegen,also eigentlich nichts bewundernswertes oder sonst der Gleichen).
Ich kläre eigentlich mich immer auf, oder erkläre mich so, dass ich den Menschen die Ängste versuche zu nehmen.
Seit 2014 Budgetberaterin beim Assistenzdienst Düsseldorf. Was genau ist darunter zu verstehen?
Ich bin seit 2014 als Persönliche Budgetberaterin beim Assistenzdienst Düsseldorf UG tätig.(www.assistenzkraft.de)
Ich berate Menschen mit jeglichen Beeinträchtigungen zum Persönlichen Budget mit dem sie dann ihre Assistenz finanzieren können. Ich berate, begleite durch das ganze Verfahren bis zum Erhalt des Persönlichen Budgets und darüber hinaus wenn Fragen sind.Wir bieten dann eben noch die Assistenten dazu.
Du setzt dich für ein selbstbestimmtes Leben ein. Warum ist das 2016 immer noch nötig? Wo sind deiner Meinung nach Hürden und Barrieren?
Hürden gibt es noch genug die,die Politik einfach „über redet“wenn es schon nötig ist das Menschen mit Behinderung Forderungen stellen müssen weil einfach auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung nicht eingegangen wird. Wie zB das Behindertengleichstellungsgesetzt in dem ebenso gefordert wird das auch Privatanbieter sich zur Barrierefreiheit verpflichten müssten, damit wir einfach auch bewusst Teil der Gesellschaft werden.
Was wünscht du dir für unsere Gesellschaft und für unsere Kinder?
Das sie offener für Vielfalt wird, wünsche ich mir für die Gesellschaft, das man auch etwas von jemanden lernen kann der anders ist als ich.Für die Kinder unserer Gesellschaft wünsche ich mir das sie weiterhin so neugierig bleiben, weiter so unvoreingenommen auf einen zugehen sofern sie nicht von der Unsicherheit ihrer Eltern beeinflusst werden.
Vielen Dank Sima, für deine offen Antworten.
Wer mehr über Sima erfahren möchte (was ich euch nur empfehlen kann) findet Sie:
Weitere Beiträge zur Blogreihe findet ihr hier:
Eltern mit Behinderungen: Leben mit ADHS
Eltern mit Behinderungen: Abschied nehmen
Eltern mit Behinderungen: Alltagsprobleme #sehtuns
Eltern mit Behinderung: Politische Stellungnahme des BBe e.V