Eltern mit Behinderungen: Die andere Seite

Eltern mit Behinderungen

Heute schreibe ich einmal meine Sicht der Dinge auf. Ich bin der Herzmann von Wheelymum. Ich liebe sie und wir haben gemeinsam einen Sohn. Wheelymum nennt ihn hier Junior.

 

Als ich mit Wheelymum zusammen kam, hatte sie gerade ihre Krankheit frisch erwischt. Alles war unklar, niemand wusste wohin die Reise geht Wir kannten uns schon vorher, aber genau in dieser Zeit wurde das ganze intensiver.

Das ist jetzt fast 10 Jahre. Mittlerweile ist viel passiert. Das wertvollste ist aber, dass wir einen gemeinsamen Sohn haben. Viele Menschen trauen sich nicht mich anzusprechen, wie das denn so sei. Mit einer behinderten Frau. Sie schauen und sie blicken uns nach. Sie fragen Bekannte, Freunde und Familie.

Wie das so ist? Mit einer behinderten Frau?

 

Was soll ich denn dazu sagen. Klar wir haben unsere Schwierigkeiten, Herausforderungen und Probleme. Aber es steht doch nicht die Behinderung im Vordergrund. Die Person steht im Vordergrund und die Person ist es, die ich liebe. Ob sie jetzt Professor ist, eine Brille trägt oder im Rollstuhl sitzt, ist doch eigentlich total kursrelevant. Ich würde hier gerne das total streichen. Leider geht das nicht. Denn es ist doch immer wieder Thema. Bei Behörden, Anträgen, Krankenkassen usw. kann ich es nicht ganz ausklammern.

Ich muss vielleicht mehr auffangen als andere. Und ich übernehme auch pflegerische Dinge. Für uns ist es sehr schwer hier andere Maßnahmen zu finden. Und deswegen handhaben wir es so, wie es gut für uns ist.

 

Und ich in Papa. Ein Papa, wie es 2017 eigentlich selbstverständlich sein sollte – ganz gleich ob Behinderung oder Beruf. Vereinbarkeit ist das Wort, welches ich kaum noch hören kann. Als unser Sohn geboren wurde, schlief ich mit ihm in der Neantologie. Am Abend hatte ich Junior im Tragetuch und lief stundenlang mit ihm in der Wohnung hin und her. Kinderschwimmen, Kinderturnen, Fahrrad fahren lernen klar das mache ich. Weil wir das so wollen. Wir könnten auch darauf verzichten. Ich genieße die exklusive Papa – Sohn – Zeit. Gleichzeitig bin ich immer in halb acht Stellung. Werde ich gebraucht? Allerdings weiß ich nicht, ob dieses Phänoman mit der Behinderung von Wheelymum zusammen hängt oder dies vielleicht auch einfach nur “Eltern sein” ist. Wenn es meiner Frau schlecht geht, dann bleibt sie liegen und ich übernehme Junior komplett. Beruflich macht es das nicht einfach. Um ehrlich zu sein, ist es eine Katastrophe. Das ärgert mich/ uns, macht traurig, krank und wütend. Das ist aber eher ein arbeitsrechtliches und politsches Thema.

 

Ich bin Papa und Mann. Ohne ein aber. Ich kenne Väter die ein Jahr in Elternzeit sind und ihre Frau geht arbeiten. Wir kennen Familien, die sich die Versorgung der Kinder komplett aufteilen.

 

Die andere Seite

 

Keine dieser Familien hat ein Mitglied, das eine Behinderung hat. Jede Familie geht ihren eigenen Weg. Wir könnten uns organisatorisch und logistisch und sehr verbessern. Ein Auto für wheelymum würde vieles vereinfachen und auch mir mehr Freiräume schaffen. Leider ist das finanziell alles nicht möglich. Also machen wir das beste aus unserer Situation. Ich möchte hier nicht jammern. Klar wäre es schön ab und an etwas freier und unabhängiger zu sein. Nicht zu viel vorher zu organisieren zu müssen,….

Ich wünsche mir manchmal einen Austausch. Tipps für Angehörige gibt es nicht viele. Meist wird gesagt, ich soll mir Freiheiten schaffen. Das sagt sich so leicht. Es gibt es kaum Anregungen für Angehörige und die Hilfen sind begrenzt. Aber ein Austausch mit anderen Partnern, das wäre durchaus hilfreich. Denn es ist natürlich nicht immer alles nur Sonnenschein.

Das Ausmaß einer Krankheit wird erst dann gesehen, wenn man selbst betroffen ist. Dann sagt der Kumpel zu mir: Wie machst du das nur? Das ist echt stark. Stärke…ich weiß nicht. Stark ist doch jeder. Jeder auf seine Art und Weise. Ich lebe mit der Gewissheit dass meine Frau krank ist, Hilfe braucht und im Rollstuhl sitzt. Ich könnte verbittern, hadern, gehen. Aber was sind das für Optionen? Keine davon wird mich und uns glücklich machen.

Die Situation ist nun mal wie sie ist. Wir lieben uns. Da stören kein Rollstuhl und keine Schmerzen. Ich versuche ein guter Papa zu sein – so wie wohl jeder Papa.

Ganz gleich wie viel oder wie wenig ich tue. Es ist doch immer das Wie!

Der  Herzmann

 

 

Danke für deine Worte – ich liebe Dich

 

Eure

 

wheelymum

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6 Kommentare

  1. isabelle

    Super Idee dieser Perspektivwechsel. Und super geschrieben!
    Jeder Herzmann sollte das lesen!

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  2. Rebekka

    Danke Herzmann für deine Beschreibung.
    Mein Mann, der vieles in deinem Text erkannte und bestätigte schickte mir ihn zum lesen. Das immer währende nicht loslassen, in Bereitschaft sein, weil ich ihn vielleicht doch brauchen könnte, oder eines unserer Kinder. Und die Umwelt, die keine Ahnung hat von all dem, und entweder ignoriert oder dramatisiert.
    Wenn wir doch nur alle paar Wochen jemanden hätten, der mit mir und den Kindern was unternimmt, sodass mein Mann mal die ganze Bude für sich allein hat und sich um nichts kümmern braucht, eine Elternadsistenz…es bleibt ein ewiges Improvisieren am Rande der Not,.
    Durch diese extreme Situation wird es noch deutlicher dass man sich liebt… ein Haus voll Liebe.. was für ein Geschenk.
    Wenn Junior älter wird s immer leichter.. Alles Gute

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  3. Niocle lieber

    Hihi
    Mein Mann muss das gleiche durch machen. und ich kann nur sagen aus meiner sicht. Das nicht nur wir Frauen stark sind sondern ihr MÄNNER wo nicht alles nach drausen tragen. doch ein stück stärker sind wie wir/oder alle anderen wo keine Behinterten Partner habe.

    Das wegen haben Sie so wie mein Mann meine vollen RESPECKT
    MfG Nicole Lieber

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  4. Beate

    DANKE sag ich jetzt mal… und das darfst Du, lieber Herzmann von Ju auch gerne annehmen. Ihr seid ein tolles Team, das habe ich kürzlich live miterleben können. Und ja – an Dir bleibt das meiste hängen.
    Aber so wie ich das sehe und so wie Du es schreibst, tust Du das aus Liebe.. zu Deiner Holden und zu Deinem Sohn – weil ihr eine Familie seid

    Mir schwirrt gerade ein Gedanke im Kopf herum, wie wir für die liebe Ju ein passendes Automatik-Auto herbekommen könnten…
    Wenn ALLE mit unterstützen könnte man da evtl. etwas tolles auf die Beine stellen!

    Lass mich mal noch etwas drauf herumdenken

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  5. Lydia Zoubek

    Danke für den Perspektivwechsel. Und dir, liebe Ju, Danke für deinen Einsatz für uns Eltern mit Behinderung.

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  6. Pingback: Likemedien N°25 - Leidmedien.de - Über Menschen mit Behinderung berichten.

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