15 km Radius sind zu wenig – aber 12 km Reichweite sind mehr als genug?

Von überall kann ich sie hören, die Stimmen die sagen, dass 15 km Radius bei einer Inzidenz von über 200 km viel zu wenig seien. Das unsere Freiheit damit eingeschränkt werden.

Baden -Württemberg und Nordrhein Westfalen wollen diese Entscheidung zunächst auch gar nicht mittragen und umsetzten. 15 KM vom Ort in dem man lebt. Bei einer enorm hohen Inzidenz.

Ausnahmen sind dabei Arztbesuche, Umgang, Arbeitswege,…

Leute, mir platzt da die Hutschnur. Bitte was muss so dringend sein, dass ich mich hier eingeschränkt fühle. Wir leben in einer Pandemie. Viele schreien auf, so kann man nicht mit Menschen umgehen. Man kann sie doch nicht einsperren.

Unabhängig davon, dass ich das absolut nicht nachvollziehen kann, werde ich auch wütend. Denn das was die Menschen gerade erleben und die totale Ausnahme ist. Ist für so viele Menschen mit Behinderungen, schlichtweg Alltag. Das man den Kaffee nicht im kleinen schönen Cafe trinken kann, da es keine Rampe hat. Das man den neuen Film nicht im Kino anschauen kann, da es für Sehbehinderte und Gehörlose Menschen keine adäquaten Übersetzungen gibt. Diese Liste ließe sich endlos fortsetzten.

Ich habe einen Elektrorollstuhl. Dieses Hilfsmittel ermöglicht es mir, mich draußen fort zu bewegen. Es hat eine Reichweite von 12 km. Bei gleichbleibendem Fahrverhalten.

Das heißt Steigungen, Gefälle, unebene Wege, mehrmaliges Abbremsen oder auch Kälte verringern diese Reichweite. Wenn der Akku leer geht, hilft nur Aufladen, Mit Strom. Also muss ich entweder Das Ladegerät mitnehmen und dann dazwischen den Rollstuhl aufladen oder der Akku muss für den Hin – und Rückweg halten. Damit verringert sich der Radius den ich erreichen kann enorm. Wir sind unheimlich weit weg von den 15 km auf die der Ausgang gerade beschränkt werden soll. Und das nicht in einer Ausnahmesituation sondern einfach immer. Der Rollstuhl ist mein Weg nach draußen. Meine einzige Möglichkeit.

In einer Großstadt kann ich vielleicht auch mit 5 oder 6 km noch einiges erledigen oder erreichen. In der ländlichen Umgebung ist das alles wieder anders. Die Möglichkeiten sind doch sehr begrenzt.

Ich bin in der glücklichen Lage, dass wir ein Auto haben, in dem der E – Rolli mittransportiert werden kann. Ich kann dieses Auto allerdings nicht selbst fahren. So brauche ich bei allen Aktionen, Erledigungen, Arztbesuchen usw. entweder einen Krankentransport oder meinen Mann, der mich fährt.

Spontane Aktionen oder Unternehmungen mit Freunden und Familie (natürlich außerhalb von Corona) sind mit dem E – Rollstuhl nicht möglich. Dieser passt schlichtweg in keines der Autos von Freunden oder Bekannten. Und die Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel ist auch mehr als schlecht. Aber darum geht es mir gerade gar nicht. Die Möglichkeit hier Dinge zu unternehmen, bietet mir hier nur ein Faltrollstuhl, der auch in den Kofferraum bei anderen passt. Dieser wird aber oft von den Kassen nicht genehmigt, da die Versorgung ja sichergestellt ist und man für das Sozialleben nicht zuständig sei, wenn man Einkaufsmöglichkeiten und Bewegung an der Luft mit dem E – Rollstuhl sicher gestellt hat. Aber auch das ist ein anderes Thema.

Was für manche Menschen jetzt, der totale Einschnitt in die Bewegungsfreiheit darstellt – ich wiederhole mich, während einer weltweiten Pandemie mit einer Inzidenz von über 200 – interessiert es keine S….. dass das bei vielem Menschen mit Behinderungen der ganz normale Alltag ist und wir teilweise noch belächelt werden, wenn wir uns darüber aufregen.

 

 

Eure

wheelymum

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5 Kommentare

  1. Sarah

    So schmerzlich und so wahr.
    Ich kann seit Monaten schon nicht mehr alleine aus und in mein Haus. Wegen meiner zugenommenen Lähmungen komme ich noch nicht mal mehr mit meinem manuellen Rollstuhl über die kleine Schwelle der Tür.. Die ganze Prozedur mit Krankenkasse und Sanitätshaus dauert jetzt schon beinahe ein Jahr. in all der Zeit brauche ich dringend einen Elektrorollstuhl. Ich muss in meinem eigenen Haus, durch die Gegend geschoben werden. Von wem auch immer gerade da ist.
    Wegen der infektionsgefahr für mich, gehe ich seit der Krise nicht mehr einkaufen und vermeide Menschen. ich kann nicht mal alleine draußen bei mir um die Ecke spazieren gehen. Nicht meine Kinder irgendwo hinbringen und abholen. Die Liste es endlich. Von Einschnitten und Entbehrungen kann ich ein Lied singen. Alltag, wenn man eine chronisch progrediente Erkrankung hat. Ich empfinde das Jammern von Menschen um mich herum lächerlich und ein purer Hohn.

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  2. Annina

    Hm..”allein” komme ich auch niergendwo hin…da ich meinen Treppensteiger ja nicht selber bedienen kann..das schon als erstes. In der Wohnung kann ich mich mit Krücken laufen und mich sofort bei Bedarf setzen…außerhalb..und das fängt schon im Treppenhaus an Rollstuhl, Zuggerät, Auto usw. .

    Aber die 15 Kilometer Beschränkung würde ich schon als ernsthaften Einschnitt sehen. Mein Mann bringt mich dahin wohin ich will…also ist mein Bewegungsradius eben mit Hilfe so groß wie ich will…nur nicht allein.
    Allein schon..unser Hobbyraum..für mich eben mit Treppensteiger erreichbar, da im Keller..wo wir unsere Märklineisenbahn wieder aufbauen, ist 20 Kilometer entfernt. Wir sind da nur zu zweit, haben keinen Kontakt zu anderen Menschen, gefährden niemanden, trotzdem dürfte ich bei einer Radiusbeschränkung nicht dahin.

    Und ehrlich gesagt ich vermisse, Konzerte, Essen gehen, Festivals..trotz meiner ganzen Krankheiten und seit Kindheit fortschreitender chronischer Krankheit.

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  3. Martin

    Das ist eine sehr interessante Betrachtung!

    Ich habe diese Seite gerade zum ersten Mal besucht (per Suchmaschine wegen einem Gedicht von Iris Macke geschaut), und freue mich dass ich hier gelandet bin.

    Danke für diese Seite,

    Martin

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    1. wheelymum (Beitrag Autor)

      Lieben Dank und wie schön, dass du hier bist

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  4. Tina

    Es ist so traurig, wie sehr das Virus unsere Gesellschaft spaltet. Viel öfters sollten wir uns unterstützen

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