Erstellt am 21. April 2016
Heute ist eine Frau Gast in der Blogreihe: Eltern mit Behinderung, die ich sehr bewundere. Tanja, im Internet auch bekannt als Rollifräulein hat einen eigenen Blog den ihr hier besuchen könnt. Was mich an Tanja ganz besonders fasziniert, ist ihre offene und ehrliche und vor allen Dingen ihre herzliche und fröhliche Art. sie sagt klar, was Mist ist und freut sich an den schönen Dingen im Leben. Ich freue mich ganz besonders, dass sie heute einen Gastartikel zu dem Thema Eltern mit Behinderungen schreibt. Ein sehr persönlicher Text.
Ju fragte mich im Dezember, ob ich bei ihrer Reihe zum Muttersein mit Behinderung mitmache. Ich war sofort begeistert, weil ich finde, dass dieses Thema noch allzu oft in der Öffentlichkeit verschwiegen wird. Jetzt haben wir Ende März und das sind die ersten Sätze, die ich dazu schreibe. Natürlich hatte ich viel zu tun, aber im Grunde steht diese Aufschieberei beim Schreiben immer im Zusammenhang mit Angst. Entweder Angst nichts zu sagen zu haben oder Angst etwas zu sagen zu haben. Diesmal ist es zweitens, ich habe Angst etwas zu sagen, das ich sagen muss, um diesen Text zu schreiben.
Also sage ich es jetzt: Hallo, ich bin Tanja, ich gelte wohl als schwerstbehindert und ich möchte ein Kind, irgendwann.
Diesen Satz zu schreiben oder auch auszusprechen, fällt mir immer noch immens schwer, weil es sich irgendwie verboten anfühlt. So als würde ich etwas wollen, das mir eigentlich nicht zu steht. Vielleicht kommt dieses Gefühl auch daher, dass Eltern mit Behinderungen lange kein Thema für die Öffentlichkeit waren und dass einem sowieso immer wieder vermittelt wird, dass wir als behinderte Menschen schon glücklich sein können, wenn wir nicht im Heim landen. Mehr haben wir nicht zu erwarten. Aber wir sollten mehr erwarten, viel mehr. Ich trage ich den Kinderwunsch schon ziemlich lange mit mir herum, auch wenn ich ihn lange nicht zugeben wollte. Früher habe ich die floskelartigen Erwartungen der Gesellschaft wiederholt, wenn mich jemand auf das Thema ansprach: „Kind? ich? naja, weiß nicht, ob ich das dem Kind antun will und das ist ja alles kompliziert…“
Zum Glück habe ich seit ein paar Jahren ein näheres Umfeld, das positiv auf solche Äußerungen reagierte und mir immer wieder klarmachte: Mit Kind ist sowieso alles kompliziert, andererseits ist eine Behinderung für ein Kind egal, erst recht, wenn es damit aufwächst. Bisher war das aber auch alles nur ein Gedankenspiel, ich war zu jung, hatte die falschen Partner und die Umstände waren eh immer blöd. Aber jetzt mit 28 Jahren komme ich ganz langsam in ein Alter, wo dieses Kinderthema durchaus konkret werden kann und ich spüre immer weniger Panik in mir aufsteigen.
Natürlich habe ich Angst davor, keine gute Mutter zu werden, meinem Kind nicht das Leben bieten zu können, das ich mir wünsche. Hat das etwas mit meiner Behinderung zu tun? Eher nicht. Ich bin Geisteswissenschafterin, habe eine stark ausgeprägte chaotische Ader und diese Gesellschaft ist sowieso alles andere als kinderfreundlich. Die Voraussetzungen sind also von Grund auf nicht perfekt, macht da meine Behinderung noch so einen großen Unterschied?
Ich will dieses Problem aber auch nicht kleinreden. Natürlich muss ich eine lange Reihe von Lösungen finden: Was mache ich nachts, wenn das Kind schreit? Was mache ich, wenn das Kind sich verletzt? Wie verhindere ich, dass das Kind sich los reißt? Hinlaufen ist in keinem Fall eine Option, aber eine andere Lösung habe ich bisher auch nicht.
Muss ich auf alles vorher eine Lösung wissen, um eine gute Mutter zu werden? Haben Mütter ohne Behinderungen vorher für alles eine Lösung? Ich weiß es nicht genau, aber wahrscheinlich nicht. Aber zumindest eines weiß ich jetzt schon:
Ich werde eine Mutter sein, die glaubt, das am Ende alles gut wird. Irgendwie.
Immerhin ein guter Anfang, oder?