Zwei Herzen

Montag Morgen,

wir liegen im Bett und ich kuschel mich in die Decke. Neben mir liegt mein Sohn. Ich schnuppere seinen Duft ein und schaue aus dem Fenster. Draußen ist es dunkel. Ein Stern leuchtet hell. Diesen Stern haben wir uns vor ein paar Tagen gemeinsam ausgeschaut und dabei ausgemacht, immer wenn wir ihn sehen, denken wir aneinander. Der Mama – Junior – Stern. Ich lausche dem gleichmäßigem Atmen und spüre einen Tritt in meinem Bauch. Das Baby zeigt mir ganz deutlich, dass es da ist – aus geschlafen hat. Die zwei Herzen in meinem Körper schlagen, stark und fest.

Mir läuft eine Träne über die Wange.

Junior wacht auf, unser morgen Programm beginnt. Ich könnte beim Frühstücken schon weinen. Schaue, fühle, spüre, sauge Momente auf… schmecke nichts.

Junior sagt zu mir: Mama, musst du heute wieder in die Klinik?

Ich nicke.

Er strahlt mich an: Ach cool, dann kann ich da endlich wieder Fahrstuhl fahren.

Ich lächle und sage ja genau.

Aber dann: „Wie lange musst du dort bleiben?“

„Ich weiß es nicht.“

Ich weiß es wirklich nicht – es können Tage oder Wochen oder im schlimmsten Fall Monate sein. Ich erkläre ihm, dass ich das leider nicht so genau sagen kann, wir das aber machen, damit es seinem Geschwisterchen gut geht.

Er nimmt mein Shirt nach oben, streichelt meinen Bauch und sagt: „Du musst da noch lange drin bleiben, weil du ja noch viel zu klein bist. Und das machst du dann auch.“

 

Er geht mit seinem Papa ins Bad, ich richte die letzten Sachen zusammen. Ich höre wie sich die beiden unterhalten und es fällt mir so unheimlich schwer, sie hier alleine zu lassen. Ich weiß natürlich dass es den beiden gut geht und dass sie gut miteinander klar kommen. Mama von mehreren Kindern zu sein, bedeutet immer auch Kompromisse zu schließen. Die uneingeschränkte Verfügbarkeit ist nicht mehr da. Das war mir bewusst. Und dennoch fühlt es sich komisch an. Es ist als zerreißt etwas in mir. Ich muss mich nicht zwischen meinen Kindern entscheiden – das Leben unseres Babys ist das wichtigste. Junior geht es gut.

Mein Verstand weiß das – mein Herz versucht  es zu akzeptieren.

 

Junior kommt aus dem Badezimmer, krabbelt zu mir auf den Rollstuhl und drückt mich. Er umarmt mich und sagt: :Irgendwie macht es mich fast ein bisschen traurig, dass du jetzt gehen musst.“

„Ja, mich auch. Wir sehen uns morgen und dann bringst du dir etwas zum spielen mit.“

„Oh ja, ich packe meine Tasche“

Er gibt mir einen Kuss und geht in den Kindergarten. Ein bisschen traurig und ein bisschen froh.

Mir fällt der Abschied schwerer.

Das war vor ziemlich genau zwei Wochen. Zwei Wochen in denen viel passiert ist. Ich bin immer noch in der Klinik, habe viel zu wenig Zeit um das alles aufzuschreiben und zu verarbeiten. Junior besucht mich jeden zweiten Tag – wir haben einen für uns guten Rhythmus gefunden, aber die Fahrtstrecken sind einfach auch anstrengend. Abends telefonieren wir und schauen auf unseren Stern.

 

 

Eure

wheelymum

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8 Kommentare

  1. Edith

    Ich denke an Euch und wünsche Euch alles Liebe.
    Sehr schöner Text und ich kann total mitfühlen.
    Das wichtigste ist es geht euch allen gut und vielleicht darfst du ja bald wieder zu deinen “Jungs” nachhause”!!!

    Wünsche dir alles, alles Gute- fühl dich gedrückt! Edith

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  2. Chr.

    Alles Liebe! Als Mama muss man oft stark sein, auch wenn einem anders zumute ist. Mir erging es ähnlich, als meine Kleine direkt nach der Geburt auf die Intensiv musste – und die 2jährige Schwester nicht kommen durfte, weil sie krank war. Papa hat sich zwar gut gekümmert,war selbst auch krank und so musste ich stark sein trotz der KS Schmerzen. Nicht da sein zu können für die Maus daheim, nicht zu wissen ob die Kleine es übersteht, nicht einfach.
    Ich kann mitfühlen, wenn man ein Kind vermisst und weiß es bleibt einem keine andere Wahl!

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  3. EsistJuli

    Ich kann nur erahnen wie schwer das ist – ich hab ja noch keine Kinder 😀
    Aber da siehst du doch auch, was für eine tolle Familie du hast! Gemeinsam seid ihr stark und steht auch schwierige Phasen durch 🙂
    Die Sonne scheint auch bestimmt bald bei euch wieder hell und schön 🙂
    Ich hoffe, dir (und deinem Bauchbewohner) geht es gut <3 ich denke oft an euch und wünsche euch alles erdenklich Gute!
    Liebe Grüße,
    EsistJuli

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  4. Tanja

    Ich schicke Euch ganz viel Kraft, Ausdauer und gute Gedanken.
    Auf Deinen Junior kannst Du sehr stolz sein. Er macht das so gut wie seine starke Mama.
    Ich drück Euch feste.
    Lieben Gruß
    Tanja von Tafjora

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    1. wheelymum (Beitrag Autor)

      <3 Danke

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  5. Lydiaswelt

    Ich habe Dich für den mystery blogger award ausgezeichnet und freue mich, wenn Du mitmachst. Hie ist der Beitrag dazu.httpss://lydiaswelt.com/2017/11/12/mystery-blogger-award/

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    1. wheelymum (Beitrag Autor)

      Danke Liebe Lydia. leider schaffe ich das zur Zeit nicht. Der Internetempfang hier ist die reinste Katastrophe und ich hätte so viel zu schreiben, aber leider viel zu wenig Zeit und Karft dazu.

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  6. Rebekka

    Schön geschrieben, liebe Ju. Ich fühlte mich ähnlich, als mein Sohn geboren wurde und mein liebes Mädchen gerade erst 2 war. Als ob ich sie in stich lasse, verrate…
    Jetzt schlief ich erst alleine wegen der dicken Plauze, dann war ich im KH/Geburtshotel und dann nur noch mit dem Brüderchen, der ständig meine Brust bekam. Sie war sichtlich traurig und verstört. Ein paar Tage nach der Geburt war meine Mama da und hat sich um sie gekümmert. Dann mussten wir alleine weiter. Es war super stressig und ich fühlte dass ich es niemanden recht machen konnte. Und dann wurde ich auch noch sehr krank. Mo
    Es dauert seine Zeit liebe Ju, bis sich eine neue Dynamik entwickelt hat. Aber jetzt habt ihr noch etwas Zeit. Es ist schwer, aber vergiss das schlechte Gewissen und erspar euch den unnötigen Stress. Du kannst es eh nicht
    ändern. Und Junior wird es verstehen und du wirst fühlen wie richtig es war ihm trotz aller strapazen ein geschwisterchen zu schenken.

    Viel Kraft Wünsche ich euch

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