Eltern mit Behinderungen: Der lange Weg zur Elternassitenz

Eltern mit Behinderungen

Ist ein Thema im TV, gibt es einen großen Aufschrei und danach scheint es wieder etwas in Vergessenheit zu geraten. So auch beim Bericht, in dem man einer Mutter mit Gehbehinderung ihr Kind wegnahm. Von seinem Kind getrennt zu sein, allein die Vorstellung löst bei vielen Ängste, Wut und Unbehagen aus. Gleichzeitig ist dies eine der häufigsten Ängste von Eltern mit Behinderungen. Das man ihnen ihr Kind „weg nimmt“, weil man selbst nicht ausreichend dafür sorgen kann. Doch genau dafür gibt es die Elternassistenz. Leider ist es immer noch nicht selbstverständlich, dass man diese bekommt. Hier erzählt unsNadine alias rosenblüte, wie es bei ihr und ihrer Familie war:

 

Aufgrund des Beitrages vom 26.09.2019in der Sendung „quer“möchte ich über meine Erfahrungen bezüglich des Bezirkes Oberbayern im Bereich „Elternassistenz“ berichten: Ich(w, 35J.)sitze aufgrund meiner „Glasknochen“ im Elektrorollstuhl. Ich habe eine 4-jährige Tochter, die ebenfalls die Glasknochenkrankheit hat. Für die Versorgung meiner Tochter benötige ich rund um die Uhr Hilfe in Form von Elternassistenz.Meine Tochter kam 2015 ziemlich genau 6 Wochen zu früh per Kaiserschnitt zur Welt. Sie wurde in der Neonatologie der Maiklinik München medizinisch versorgt.Einige Tage nach dem Kaiserschnitt wendete ich mich an die Krankenkasse,um die Finanzierung von Krankenschwesternzu klären.Diese sollten mich bei der Versorgung meiner Tochter unterstützen. Die Krankenkasse wies mich jedoch gleich ab. Daraufhin wendeten wir uns an die Orientierungsberatung des Sozialbürgerhauses Münchens. Dort wurden wir dann gut von einer Sozialarbeiterin betreut. Die Dame kämpfte für uns und fand heraus, dass uns definitiv keine Krankenschwestern finanziert werden, sondern wir uns sog. Laienhelfer suchen müssen und diese Leistungen vom Bezirk Oberbayern finanziert werden müssen. Der Bezirk wies selbstverständlich auch erstmal mit den Worten „wir sind nicht zuständig“ ab.Nachdem die Zuständigkeit geklärt war, begann der Spießrutenlauf. Sofort wurden wir zurechtgewiesen, warum wir den Antrag nicht früher gestellt hätten. Ja, dies war mein Fehler. Allerdings war ich während der Schwangerschaft sehr vorsichtig und wollte mich nicht zu früh über mein Wunder freuen. Hatte ich doch 6 Jahre zuvor meine erste Tochter im 6. Schwangerschaftsmonat verloren.Während all der Sorge um meine Tochter und dem Wochenbett hieß es nun, Anträge ausfüllen, Unterlagen zusammenstellen, Personal suchen… Eine wahnsinnig anstrengende Zeit.

 

 

All diese Gefühle und Erinnerungen kamen wieder hoch, als ich den Beitrag in „quer“gesehen hatte. Da wurde mir erst bewusst, welches Glück wir hatten, dass unsere Tochter in der Klinik bleiben konnte bis alles geklärt war. 6 Wochen dauerte es. In diesen 6 Wochen wurde auch eine sog. „Personenkonferenz“ beim Bezirk Oberbayern abgehalten. Ich, der Vater meiner Tochter, die Mitarbeiterin des Sozialbürgerhauses und 3 Mitarbeiter vom Bezirk Oberbayern nahmen daran teil. Wir wurden alles gefragt. „Wofür brauchen Sie die Hilfe?“, „Wo sind die Großeltern und warum können diese nicht helfen?“, „Warum gibt es keine Nachbarn,die Sie unterstützen können?“ um nur die prägendsten Fragen wiederzugeben. Nach wie vielen Wochen wir dann letztlich den Bescheid vom Bezirk bekamen, kann ich heute gar nicht mehr sagen. Es wurden 14 Stunden für die Tagstunden und 2 Stunden für die Nachtstunden bewilligt. 2 Stunden für die Nachtstunden fand ich gelinde gesagt eine Frechheit. Wer selbst Mutter oder Vater ist, weiß, dass Säuglinge nicht durchschlafen. Und wer arbeitet schon gerne nachts und bekommt nur 2 Stunden bezahlt?Wir kamen also auch weiterhin nicht zur Ruhe. Ich suchte einen Sozialanwalt und legte Widerspruch ein. Nun hieß es Protokoll über die nächtlichen Tätigkeiten führen(wann und wie oft wurde gestillt, gewickelt, etc.?),ärztliche Atteste einholen. Diesen „Kampf“ führte ich für meine Assistentinnen! Es hat gedauert, aber letztlich haben wir gewonnen und 24 Stunden bewilligt bekommen!

Es bleibt ein Kampf

Doch auch bis heute ist es jährlich ein Kampf. Ich stelle meist 8-10 Wochen vor Ablauf des Bescheides einen Weitergewährungsantrag und trotzdem ist es immer ein Bibbern und Zittern. Ich weiß nie, wie es für meine Assistentinnen und uns weiter geht. Jährlich wird der Bedarf neu geprüft, immer in einer sog. Personenkonferenz. Mittlerweile bekomme ich tatsächlich nur noch 2 Stunden für die Nachtbereitschaft. Dies hat zur Folge, dass ich kaum Personal finde. In diesem Jahr ist es besonders schlimm. Diese Regelungen und das Warten zerren an den Nerven. Der Bezirk bearbeitet den Antrag nicht, ständig habe ich jetzt neue Sachbearbeiter. Diese antworten weder auf Mails noch erreicht man sie telefonisch. Nur wenn man mit Anwalt „droht“ passiert etwas…Ich möchte mich zum Abschluss den Worten von Oswald Utz (Behindertenbeauftragter der LHMünchen) aus dem Bericht „quer“anschließen: „Jeder sollte die Hilfe bekommen,die er benötigt.“Und der Bezirk Oberbayern sollte sich einmal bewusst machen, dass auch wir Menschen mit Behinderung das Recht haben Eltern zu werden!

 

 

Danke, für deine offenen Worte

 

Eure

wheelymum

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3 Kommentare

  1. Lydia

    Obwohl die Elternassistenz gesetzlich anerkannt ist, werden wir Eltern mit Behinderung behandelt, als hätten wir etwas verbrochen, indem wir Kinder bekommen. Ich hoffe, dass irgendwann ein Umdenken in der Gesellschaft stattfindet.

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  2. Janine

    Hallo ihr Lieben.
    Ich finde es alleine schon eine Horrorvorstellung.Nur weil wir ein Handycap haben heißt es doch nicht das wir keine guten Eltern sind.

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  3. Corina

    Ich hatte zum Beispiel eine Kindergärtnerin, Eltern und Assistenten die schon in der Nacht gearbeitet haben als Assistenten….

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