Von Vorsorgeterminen zu Frauen mit Behinderungen und gynäkolischen Praxen

Ich schaue in meinen Kalender. Es blinkt eine wichtige Info: Vorsorgetermin für das neue Jahr vereinbaren. Vorsorge kann Leben retten. Bei uns allen. Auch wenn einige dieser Termine nicht sonderlich angenehm sind, ist es alles besser als eine Erkrankung zu spät zu entdecken.

Seht dies gerne als kleinen, freundlichen reminder, dass auch ihr nicht vergesst, eure Vorsorgetermine zu vereinbaren.

Manchmal ist es schwierig, Praxen zu finden, die freie Termine vergeben. Manchmal und leider noch viel zu häufig ist es noch schwieriger, Praxen zu finden, die auch für Menschen mit Behinderungen geeignet sind.

Die barrierefreie Zugänglichkeit und Nutzung von Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass wir ohne Diskriminierung Ärzt*innen konsultieren können. Als ich mit einem ersten Kind schwanger war, freute ich mich so sehr auf den Besuch in der Gynäkologischen Praxis.

Unabhängig von Schwangerschaft oder Kinderwunsch sind Facharztpraxen unheimlich wichtig. Doch für Frauen mit Behinderungen ist es ein Kraftakt die passenden Praxen ausfindig zu machen. Es gibt viel zu wenig Angebote für Menschen mit Uterus, die auf solche Bedürfnisse wie mehr Zeit, leichte Sprache, helfendes Personal, Hilfsmittel für einen Transfer usw. eingestellt sind.

Wir müssen dann oft individuelle Lösungen suchen. Doch das ist unheimlich schwer und anstrengend, denn:

  • es muss eine Praxis gefunden werden, die die individuellen Bedürfnisse abdecken kann
  • es kann sein, dass man in einem Bereich, in dem man selbst beraten werden möchte, selbst Aufklärungsarbeit leisten muss.
  • Hier entsteht ein Ungleichgewicht in dem Frauen es schwer haben ernst genommen zu werden. So können Grundlagen für eine Diskriminierung entstehen

Eine Frau berichtet mir, dass die Praxis ihrer Ärztin nicht mit dem Rollstuhl zugänglich war. Sie wurde umgebaut man kann diese nun mit einem Lift erreichen. Doch das große ABER kommt noch:

Um zum Lift zu gelangen, muss die Rollstuhlfahrerin über die Hintertüre hinein.

Damit diese geöffnet wird, muss sie vorher in der Praxis anrufen, da man die Hintertür von außen nicht öffnen kann. Das ist keine Gleichberechtigung, denn so können Rollstuhlfahrer*:innen diese Praxis wieder nicht selbstbestimmt und unabhängig besuchen. Der Hintereingang ist keine gleichberechtigte Teilhabe, sondern er signalisiert vielmehr: Du darfst rein, aber bitte bleibe unsichtbar.

Eine andere Frau beschreibt, dass bei ihr der gynäkologische Stuhl zwar mit Hilfe erreichbar war, die Praxis aber nur eine klitzekleine Toilette hatte und so nie Urinuntersuchungen gemacht werden könnten, oder ein Schall mit leerer Blase.

Ja, es gibt Pläne für extra Praxen. Doch das ist nicht inklusiv. Es ist eher exklusiv und doch ist der Leidensdruck und die schlechte Medizinische Versorgung so groß, dass es immer wieder zum Gespräch kommt. So lange es nichts von beidem in ausreichendem Maß gibt wird,  wird vielen Menschen schlichtweg verwehrt überhaupt zum Gynäkologen zu gehen. Oder sie müssen dort extreme Diskriminierungserfahrungen machen. Das kann es nicht sein. 

Und ja, das ist nicht nur bei gynäkologischen Terminen so, sondern immer noch bei sehr vielen (Fach-) Arztpraxen ein rießiges Problem. 

Ich weiß, es sind so viele Themen und es ist so anstrengend, doch wir dürfen uns nicht systematisch ausgrenzen lassen.

wheelymum

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12 Kommentare

  1. Dorena

    Ganz meine Meinung…in früheren Jahren konnte es mitunter pasieren,
    dass bei unregelmäßigen Facharztbesuchen “vergessen” wurde, dass
    ich hochgradig schwerhörig bin und die Lautsprecheransage kaum verstehe.
    Da saß ich dann manchmal so lange, bis der letzte Patient versorgt war
    und dann merkten sie, hoppla, die ist ja doch da, hat nur nichts gehört
    vom Aufruf. Auch nicht schön.

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    1. wheelymum (Beitrag Autor)

      Das kann ich mir gut vorstellen. Darf ich nachfragen: Nimmst du deine Termine dann alleine wahr, oder hast du eine Begleitung dabei?

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    2. Jürgen Liebich

      Wie wäre es denn, wenn du bei der Anmeldung darauf hinweist, dass du hörbehindert bist? Nicht immer jammern, einfach aktiv sein.

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      1. wheelymum (Beitrag Autor)

        Ich vermute schon, dass die Menschen mit Behinderungen prokativ auf die Leute zugehen. Es steht ja da, dass “vergessen” wird, dass die Schwerhörigkeit vorliegt. Natürlich ist dein Hinweis richtig, das man immer wieder darauf hinweisen kann oder soll, aber das ist kein jammern, wenn hier Tatsachen beschrieben werden.

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  2. Annina

    In Dachau gibt es im Krankenhaus ja eine gynäkologische Ambulanz für Frauen mit Behinderung/Rollstuhl. Da ich aus dem Raum Augsburg komme..also relativ nahe,war ich dort 2mal.
    Aber es war nicht so meins…nicht die medizinische Qualität oder die Barrierefreiheit, sondern der Umgang mit mir als Patientin. Ich ich wurde mehrmals gefragt, ob ich denn tatsächlich verheiratet sei…mein Mann war als Begleitung dabei…ob ich die Erklärungen der Ärztin verstanden hätte, nachdem ich ihr versichert hatte, dass ich das tue. Außerdem wurde mir immer gesagt, dass ein so schwerer Verlauf mit Rollstuhl und Pflegegrad bei Rheuma doch gar nicht “vorkommt “…ja ist eben so…konnte ich auch nichts machen.
    Ich denke andere Frauen fühlen sich dort bestimmt wohl…aber ich nicht

    Jetzt habe ich eine Praxis im Erdgeschoß eines Hauses und die Ärztin hilft halt.

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    1. wheelymum (Beitrag Autor)

      Puhh… das tut mir so leid. Auf mehreren Ebenen. Dieses Exkludieren fühlt sich für mich auch nicht gut an.
      Und der Umgang mit dir geht gar nicht. Warum ist es so schwer Menschen mit Behinderungen würdig zu begegnen und diese auch so zu behandeln?
      Ich freue mich dass du eine Lösung für dich gefunden hast mit der du im Moment gut klar kommst.

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  3. Katja

    Ich habe schon seit Jahren die Angst, dass es zu spät ist wenn ich irgendwann mal zur Gynäkologin gehen sollte. Ich bin mittlerweile durch Krankheit tetraplegikerin und mir ist immer noch keine Assistenz gewährt worden. Die brauche ich aber dringend, um zu Gynäkologen zu gehen. Generell, auch zu anderen Ärzten. Eine riesen Hürde ist natürlich überhaupt eine barrierefreie Praxis zu finden. Dann, wie dahin, wenn man seinen elektrischen Rollstuhl nicht in dem Auto transportieren kann? Und dann die Hilfe, die man benötigt in der Praxis. Ausgenommen, der barrierefreien Praxis, würden sich bestimmt irgendwelche Lösungen finden. Aber es ist eine ewige Kette zur Überwindung von Barrieren. Wie bereits in so vielen Bereichen meines Lebens. Während ich selber, Kinder habe und zahlreiche andere Aufgaben. Ein Arzttermin, ist einfach dann eine riesige Hürde, die ich seit Jahren ausstelle. Deshalb gehe ich nur im Notfall zum Arzt.

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    1. wheelymum (Beitrag Autor)

      Liebe Katja, das hört sich ganz furchtbar an und gleichzeitig kann ich das so gut nachvollziehen. Es ist doch erschreckend, dass wir auf Grund der Behinderung noch kränker werden, da viele keine Vorsorge wahrnehmen können, aus den dir genannten Gründen. Noch ganz kurz zur Assistenz. Hast du diese in der letzten Zeit nochmal beantragt? Für die Umsetzung des BTHG (Bundesteihabegesetz) sind Assistenzkräfte eine wichtige Säule nach §78 SGB IX. Ich setzte dir hier gerne nochmal einen Link rein, vielleicht hilft dir das etwas weiter https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/w/files/vertiefungsveranstaltungen/p5/p5-2020/20_05_20_vortrag_-assistenzleistungen.pdf, aber klar auch das ist wieder ein Kraftakt. Ich schicke dir viele liebe Grüße

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  4. kommunikatz

    Wenn ich das alles lese, habe ich regelrecht ein schlechtes Gewissen, dass bei mir (von Geburt an blind und seit 15 Jahren mit MS diagnostiziert) noch alles so gut klappt. Meine Ärzt*innen sind sogar alle durch die Bank so sehr in meine Führhündin verknallt, dass ich noch nie ein Problem hatte, mit Hund in eine Praxis zu kommen. Noch bin ich motorisch fit, aber ich bin auf eine gruselige Art gespannt darauf, wie es sein wird, wenn ich körperlich eingeschränkter werde – was sicherlich irgendwann auf mich zu kommt. Von Inklusion – vor allem in den Köpfen – sind wir jedenfalls noch immer genauso weit entfernt wie vor 30 Jahren, und das ist verdammt erschreckend.

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    1. wheelymum (Beitrag Autor)

      Nein bitte hab bloß kein schlechtes Gewissen, lass uns lieber deine Geschichte als positives Beispiel nehmen.

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  5. Lucie

    Ich würde gerne wieder zur gyn. Krebsvorsorge gehen. Habe aber Angst, da ich aufgrund meiner Behinderung (Hüfterkrankung) Probleme mit dem gynokologischen Stuhl habe. Ich kann darauf nicht sitzen um den Abstrich machen zu lassen. Beim letzten Mal wurden meine Beine so auseinander gerissen, daß ich hinterher wochenlang kaum laufen konnte. Ich finde in meiner recht grossen Heimatstadt keinen Arzt, der die Untersuchung auf einer normalen Untersuchungsliege vorsichtig vornehmen kann. Auch die Krankenkasse kann hier nicht helfen, sie kann keine entsprechende Praxis benennen.

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    1. wheelymum (Beitrag Autor)

      Oh Lucie, wie furchtbar. Magst du vielleicht einmal dazu schreiben, in welchem groben Umkreis du suchst. Vielleicht gibt es jemanden der einen Tipp für dich hat. So etwas darf es doch nicht geben.

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