Ein Jahr nach den Morden von Potsdam

Ich halte einen Zettel in die Kamera mit der Augschrift Ableismus tötet. Dahinter ist eim Holzring an der Wand mit Eukalyptus Ich schaue traurig und betroffen

Heute jähren sie die Morde von Potsdam zum ersten Mal. Hier wurde in seiner ganzen Grausamkeit deutlich, dass Ableismus tötet.

Menschen mit Behinderungen haben ein deutlich erhöhtes Risiko Opfer von Gewalt zu werden. Vor einem Jahr wurden vier Menschen in ihrem „Schutzraum“ in ihrem Wohnheim von ihrer Pflegerin getötet. In der Gerichtsverhandlung wurden brutale Dinge und Gedanken von ihr dargelegt.

Doch in der Berichterstattung damals ging es nicht um die Opfer. Ihre Namen

Lucille H; Andreas K, Martina W und Christian S

 

wurden kaum ausgesprochen. Es ging um die Belastung der Pflegekräfte, die Berichte gaben Menschen Raum: Polizist:innen, Pfarrer, Politiker:innen, Pflegepersonal

Die Menschen mit Behinderungen fehlten. In den sozialen Medien wurden von Behinderten Menschen viele Aktionen gestartet. Schaut euch den Hashtag an. Wir sind da. Wir sind laut. Wir sind viele. Aber wir sind immer noch zu wenige. Wir brauchen Allys – Verbündete, die mit uns auf diese Themen aufmerksam machen. Heute. Aber nicht nur heute. Sondern immer und immer wieder. Der Fokus muss auf den Opfern und auf der Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen liegen. Schaut nicht weg.

Es ist so wichtig, dass wir alle hinschauen. Im 3. ten Reich gab es die Euthanasie. Es wurden nicht nur so viele unschuldige Menschen dort getötet, es gab auch Zwangssterilisationen usw. Der Gesellschaft wurde das als “Erlösung” begründet. Mit einer Behinderung/ Erkrankung sei das Leben nicht mehr lebenswert. Diese Gedanken gibt es noch heute zum Beispiel wenn Eltern mit Kindern mit Trisomie 21 an den Kopf geworfen bekommen: “Sowas muss doch heute nicht mehr sein.”  Aber auch nach dem Tod eines Menschen mit Behinderung hört man noch immer:” Es ist wahrscheinlich besser so” oder ähnliches. 

Diese Narrative wurden auch nach den Morden im Oberlinhaus verbreitet. Dabei wurden die Menschen in ihrer Wohnung – in dem sogenannten Schutzraum – heimtückisch ermordert. Dafür gibt es keine Begründung oder Rechtfertigung. In der Gerichtsverhandlung sagte die Täterin, dass sie bereits früher solche Mordgedanken hatte. Ebenso kamen “versuchte Morde” in der Woche davor ans Tageslicht. Die Täterin hat selbst einen Sohn mit Behinderung und hatte auch diesem gegenüber Mordphantasien, denn damit wären alle Probleme erledigt. Bei den Morden selbst schilderte die Täterin in der Gerichtsverhandlung, dass sie sich gewundert habe, dass „das“ so einfach gehe, dass das Messer so scharf sei, dass ein Schnitt genüge und die Menschen verbluten. Sie selbst habe dabei nichts empfunden. Sie sagt, es sei ihr völlig unverständlich, weshalb sie „das“ gemacht habe – irgendwann habe sie keine Lust auf mehr gehabt. Sie habe sich gesagt: „Fünf reichen mir“. 

Quelle: Oberlinhaus Potsdam | 9. Tag im Prozess: Gutachterin sagt aus (maz-online.de)

 

Wir dürfen vor der unbequemen Wahrheit nicht die Augen verschießen. Eine Behinderung zu haben bedeutet nicht, dass das Leben lebensunwert sei. Ebenso das Narrativ, dass behinderte Menschen eine Last sind, darf nicht weiter reproduziert werden. All diese Gedanken sind ableistisch und gefährlich für Menschen mit Behinderung. Behinderte Menschen erfahren Gewalt. Das muss aufhören. Wir alle müssen hinschauen und dürfen die Augen nicht verschließen.  Es reicht eben nicht zu betonen, wir wunderbar oder wichtig ich unsere Vielfalt und Buntheit finde. 

 

Eure 

wheelymum

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1 Kommentar

  1. Annina

    Was meiner Meinung nach, aber genauso gefährlich sein kann ist, die “du kannst alles”-“stay positive”-Darstellung, in der Behinderung, den Menschen der sie hat in seinen Handlungen ja gar nicht einschränkt und es nur an der Willensstärke liegt, was man erreichen kann.
    Also z.B. wenn jemand eine Muskelerkrankung hat und eigentlich 24/7 Assistenz braucht vermittelt diese Sicht auf die Behinderung, er könnte ja alles allein wenn er es nur “wollte”.
    Ich bin selber solchen Menschen begegnet…es führte zu “Konflikten” weil es dann hieß “ja aber wir sehen dich doch als Menschen, da spielt deine Einschränkung keine Rolle und wir müssen dann auch nicht auf Barrierefreiheit oder ähnliches achten.”

    Diese Sache ist ja auch Ableismus…nur in einer sehr seltsamen Form.

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