Wie Corona unseren Alltag beeinflusst – die Risikogruppe erzählt: Als blinde Frau während Corona

Regenbogen aus Straßenkreiden Alles wird gut

Das erste Mal bekam ich Corona zu spüren, als von einem Tag auf den Anderen alle Veranstaltungen der Blindenselbsthilfe, meiner Töpferwerkstadt und mein Sport abgesagt wurde. Ebenso fielen einigeanderer Veranstaltungen aus. Als dann auch noch die Schule meines Sohnes geschlossen hat, war meine gesamte Tagesstruktur weg.

Dann kamen die Abstandsregeln, die absolut nicht für blinde Menschen gemacht waren. Absperrbänder in Hüfthöhe, oder auf den Boden gemalte Markierungen, die kein Blindenstock anzeigen konnte. Ab da ging ich auch nicht mehr allein einkaufen, da ich keine Idee hatte, wie ich die Abstände einhalten kann. Meine Freundin, die mich einmal in der Woche in den Supermarkt begleitet hatte, zählte zur Risikogruppe, und stand mir nicht mehr zur Verfügung. Ich kompensierte es damit, dass ich mit einem meiner Kinder einkaufen ging, wenn es irgendwie zeitlich passte. Die Alternative war das Schreiben von Einkaufszetteln. Für mich, die ich so gut wie nie einen Einkaufszettel geschrieben habe, eine echte Herausforderung. Erst recht, da ich nie wusste, wann jemand einkaufen gehen konnte, und welche der aufgeschriebenen Produkte dann verfügbar waren. Ein Ausweichen auf den Lieferdienst von Rewe war auch nicht möglich, da dieser logistisch mit den Lieferanfragen überfordert war. Ich kenne einige blinde Personen, die keine Termine bekommen haben. Gepaart mit der Tatsache, dass auch so manche Assistenz nicht mehr kommen wollte, durfte oder konnte, ein ernstzunehmendes Problem, welches viele Menschen mit Behinderung betrifft.

Ein weiteres Problem war die Nutzung von Bussen. Als der Fahrkartenverkauf im Bus eingestellt wurde, blieb die vordere Tür geschlossen. Damit konnten blinde Fahrgäste nicht mehr mit dem Busfahrer in Kontakt treten, sich ganz vorne hinsetzen oder bei nicht funktionierender Haltestellenansage nachfragen.

Eine Sache, die mich nicht direkt betrifft, möchte ich doch ansprechen. Blinde Eltern, die eine Elternassistenz für Hausaufgaben oder Begleitung nach draußen hatten, mussten hier oft improvisieren, da diese in manchen Fällen nicht mehr in die Wohnung kommen konnte oder durfte. Dies zieht sich durch sämtliche Bereiche des Alltags. Auch wenn meine Kinder bereits erwachsen sind, sehe ich die Problematik. Eine Freundin, die eine Betreuerin für den Alltag hat, darf nicht mehr in ihre Wohnung kommen. Und auch bei Begleitung zu notwendigen Terminen, darf sie sie nicht mehr führen, sondern ihr die Anweisungen auf dem Weg zu rufen. Das war für meine Freundin so stressig, dass sie sich genau überlegt hat, ob der Weg unbedingt sein musste.

Stellt Euch vor, Ihr bekommt eine schwarze Brille aufgesetzt, und müsst allein auf akustische Anweisung eine stark befahren Straße entlang laufen oder diese überqueren, dabei den Abstand zur zurufenden Person einhalten und Euch auf die Bewegungen mit dem Blindenstock konzentrieren. Das gehört für mich zu den Dingen, die kein Mensch braucht.

Lydia steht mit Maske und Blindenlangstock an einer Bushaltestelle

Während dieser Zeit hat der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband DBSV eine Aktion gestartet, bei der ich mit dem Beitrag Wünsche an sehende Mitmenschen zu Corona Zeiten mit gemacht habe. Diesen Artikel lege ich allen ans Herz, die blinde Menschen gern an der richtigen Stelle unterstützen möchten.

Weitere Beiträge von mir sind Blind Busfahren im Corona Stress und ich möchte selbst einkaufen gehen.

Und nun noch etwas in eigener Sache. Blinde Menschen sind ebenso auf Facebook, Twitter oder Instagram unterwegs. Texte werden uns von einem Screen Reader vorgelesen. Bilder hingegen nicht. Dabei bieten alle drei Netzwerke die Möglichkeit zu Fotos das Feld „Alternativtext“ zu bearbeiten. Vorgegeben wird eine Beschreibung, die durch künstliche Intelligenz erstellt wurde, und die selten stimmt. Wenn Ihr hier beschreibt was auf dem Bild zu sehen ist, haben auch wir blinden Menschen eine Chance dieses Bild zu erfassen. Nebenbei werden Bilder mit gutem Alternativtext leichter durch Suchmaschinen gefunden. Sobald ich etwas sicherer auf Instagram geworden bin, werde ich einen entsprechenden Beitrag dazu machen. Das mit dem Alternativtext funktioniert auch bei Blogbeiträgen.

Ich mache das dann so, dass Name, Alternativtext und Beschreibung denselben Text bekommen. Wer sich daran versuchen möchte, darf mich gern mal auf Instagram markieren, und bekommt eine Rückmeldung.

In diesem Sinne, bleibt gesund und lasst mich an Euren Bildern teilhaben.

Eure Lydia

 

Diesen kleinen Einblick in den Alltag hat uns Lydia gegeben. Sie schreibt schon lange auf Lydiaswelt und auch gerne ab und zu bei mir einen Gastbeitrag.

Wie geht es euch?

Eure

wheelymum

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