Über das Leben mit Sinnesbehinderungen kann ich meinen Kindern kaum etwas mitgeben. Ich habe eine Körperbehinderung und dafür sind meine Kinder einfach durch ihren Alltag sensibilisiert.
Wie das Leben mit einer Sinnesbehinderung ist, können wir als hörende oder sehende nicht nachvollziehen. Einige haben durch Corona Erfahrungen damit gemacht, wie es ist, nichts mehr riechen oder schmecken zu können.
Projekte und Aktionen in denen Menschen zum Beispiel in einen Rollstuhl gesetzt werden, um das zu erleben sind sehr kritisch zu betrachten. Vor allen Dingen weil so oft am Ende das Ergebnis steht – ja es gibt Barrieren, aber Gott sei Dank komme ich wieder aus dem Rollstuhl heraus. So wird der Rollstuhl als Belastung empfunden und nicht als Hilfsmittel. Mit diesem Hintergrund war ich etwas zwiegespalten als ich von den Projektkoffern des cbm gehört habe. Dennoch wollte ich diese testen. Für mich war es wichtig, sich hier über seine eigenen Sinne bewusst zu werden. Das geht natürlich im Gespräch, im Alltag, aber auch mit sogenannten Kim Spielen. Der Name dieser Spiele beruht auf Kiplings (+1936) Roman Kim, in dem es um das Leben des Straßenjungens geht. Kim hat Probleme mit der Wahrnehmung, im Denken, im Tasten und im Sehen. Er muss lernen alle seine Sinne einzusetzen. Diese Spiele gibt es auch in der Pädagogik im Bereich Wahrnehmung. Einige solcher Spiele findet man auch in den Aktionskoffern:
Den Titel dafür finde ich nicht gut gewählt, denn mit Aktionskoffern und Projekten kann man keine Blindheit verstehen oder nachvollziehen. Was aber durchaus gelingen kann, ist es, für das Thema zu sensibilisieren.
Wie das gehen kann?
Ein ganz einfaches Beispiel, für alle die in der Stadt leben. Elektroroller stehen überall herum. Für mich als Rollstuhlfahrerin stellen sie mir die Wege zu, entweder jemand muss diese für mich zur Seite stellen oder ich muss einen alternativen Weg finden. Wie ist das aber bei Menschen mit einer Sehbehinderung? Das könnt ihr ganz einfach einmal selbst testen. Verbindet euch die Augen und lauft einmal los. Das werden sich die wenigsten trauen. Natürlich haben Menschen mit Sehbehinderungen Hilfsmittel wie z.B. auch einen Langstock. Mit dieser Hilfe können Stürze oder Unfälle vermieden werden, indem die Umgebung abgetastet wird. Denn durch ihn können die Beschaffenheit des Bodens, Bordsteine, Treppen, Blindenleitsysteme oder eben auch Hindernisse wie z.B. ein Roller mitten auf dem Weg erkannt werden.
Was wir Menschen ohne Sehbehinderung aus solche einer Erfahrung mitnehmen können? Das sollte nicht die Quintessenz: „ Juhu, ich kann sehen und außen herum laufen“ sein, sondern vielmehr, dass man die Blindenleitsysteme freihält und zum Beispiel selbst die Roller richtig zur Seite stellt (egal ob man damit gefahren ist oder nicht)
Es geht hier also vielmehr darum aus seiner eigenen Erfahrung etwas mitzunehmen.
Aus diesen Gründen finde ich die beiden Aktionskoffer zu den Themen Blindheit und Taubheit gar nicht verkehrt. Die Koffer sind ausgestattet mit einer Anleitung, einer extra Begleitbroschüre, Spielen, Hilfsmitteln und vielen praktischen Tipps. Hier gibt es viele, viele Impulse, Erklärungen, aber auch Möglichkeiten zum ausprobieren, was Menschen mit einer Sinnesbehinderung helfen kann oder wie sie diese Dinge anwenden. Es befinden sich darin die Klassiker wie ein Fühldomino oder ein Geräuschmemory. Aber auch ein Mensch ärgere dich nicht in einer taktilen Variante oder ein Ball der Geräuschen zum Beispiel zum Fußballspielen. Blindenschrift und ein Plakat mit dem Gebärden – Alphabet, oder ein Lichtsignal sind in den Koffern, ebenso wie ein Sockensammler oder eine Geldschablone. Diese Hilfsmittel sind richtig tolle Gesprächsansätze – darüber kann man auch gut auf die digitalen Sprachassistenten kommen, die ursprünglich für Menschen mit Behinderungen entwickelt wurden und mittlerweile von fast allen Menschen genutzt werden. Auch so kann man wieder einen Bezug zur eigenen Lebenswelt schaffen.
Ich finde diese Aktionskoffer gut. Sie sind für den Einsatz in Schulen, Kirchengemeinden und der außerschulischen Jugendarbeit konzipiert und für bis zu 35 Personen ausgelegt. Gleichzeitig kann man ergänzende Materialien bestellen. Die Begleitbroschüren geben sachliche, didaktische und pädagogische Informationen, schauen über den Tellerrand hinaus und helfen dabei, gut mit den Koffern umzugehen, ohne Vorurteile zu festigen. Die ersten Übungen sind zum Beispiel komplett ohne Koffer – schlichtweg um eine Sensibilisierung und einen eigenen Bezug herzustellen. Das mag ich sehr. Auch, dass im Beispiel: Wie führe ich einen blinden Menschen? Der erste Punkt lautet: Frage einen blinden Menschen erst, ob du ihm helfen kannst….Wenn er keine Hilfe braucht, verabschiedest du dich.“ Yeah genau das! Kein übergriffiges Verhalten, das ist so so wichtig und die Grundlage aller Unterstützungsangebote.
Die Aktionskoffer können kostenlos ausgeliehen werden und kommen desinfiziert in die Einrichtungen. Lediglich das Rückporto, muss übernommen werden.