geschrieben am 24 November 2015
Der Kühlschrank ist hell, die Nudeln sind leer. Junior verlangt nach einem Joghurt. Auf die Antwort: Wir haben momentan keinen, lacht er mir entgegen: „Mama, erst eindaufen müssen.“
Ja, wie recht er hat. Wir müssen einkaufen gehen. Ein normaler Alltagspunkt in allen Familien. Von einigen gehasst, von anderen geliebt. Bei den meisten als notwendiges Übel anerkannt.
Und bei uns… ja bei uns ist das so:
Einmal in der Woche machen wir einen Großeinkauf. Das bedeutet, der Mann fährt mit dem Auto zum Supermarkt, Junior im Kindersitz, ich auf dem Beifahrersitz und der kleine Aktivrollstuhl im Kofferraum. Dann arbeiten wir unsere Einkaufsliste ab und nehmen meistens leider auch noch das ein oder andere so mit. Soweit so gut. Da unser Kühlschrank nur eine begrenzte Fassungskapazität hat, kann ich leider nicht so viel einkaufen, wie ich tatsächlich für eine ganze Woche benötige. Zudem gibt es einfach Lebensmittel, die man frisch kaufen sollte.
Wenn also Dienstagmorgens der Joghurt leer ist, so habe ich die Möglichkeit, auf das Wochenende zu warten oder selbst mit Junior einkaufen zu gehen. Kleinere Erledigungen gehen ganz gut. Ich ziehe Junior an und wir treffen uns vor der Garage. Dort setzt er sich (noch) in seinen Kinderwagen und ich steige auf den Elektrorollstuhl um. Ich stelle meine Beine auf die Kinderwagenachse und wir fahren los.
Mittlerweile kenne ich bei uns im Ort alle Wege, die ich gut befahren kann. Immer wieder kommen uns Bordsteinkanten in die Quere, die wir so einfach nicht überwinden können.
Wir wohnen in einem kleinen Dorf. Hier gibt es noch echte Handwerksbäcker, einen Metzger und 2 Gemüseläden. Leider ist keines dieser Geschäfte barrierefrei. Wenn ich genau weiß, was ich benötige, so fahre ich zu diesen Geschäften, warte vor der Tür (oder lasse Junior die Treppe hochsteigen und klopfen) bis ein Kunde kommt. Dieser gibt im Laden beschied und ein Mitarbeiter kommt heraus. Ich sage diesem, was ich benötige, er geht zurück in den Laden und bringt mir danach die Ware heraus. Dorfleben halt. Herzlich und Gemeinschaftlich. Trotz Barrieren. Trotzdem ist dies anstrengend und einen richtigen Familieneinkauf kann ich so nicht erledigen. Bleiben die Discounter.
In einem Supermarkt gibt es allerhand Lebensmittel, die auch ein Erwachsener nur auf Zehenspitzen erreichen kann. Für jemanden, der im Rollstuhl sitzt, kleinwüchsig ist, oder für die nette ältere Frau vor mir, ist es unmöglich diese zu erreichen. Wenn man Glück hat, findet man einen netten Angestellten, der schnell helfen kann. Und viel zu tun haben sie oftmals auch, so, dass sie hilfesuchende Kunden gar nicht registrieren. Bleiben andere Kunden. Hier habe ich schon 2x schlechte Erfahrungen gemacht. Einmal wurde mir sogar während ich um Hilfe gebeten habe, mein Geldbeutel aus der Tasche geklaut.
Ein Hauptthema dabei ist aber, dass man mich nicht sieht! Wenn ich alleine mit Junior im Supermarkt bin, wird mein Kind angesprochen. Mir wird zwar meistens Platz gemacht, aber angesehen? Kaum jemand schaut mir in die Augen. Es sei denn die Leute kennen mich. Auch das kommt auf dem Dorf vor. Und es ist schön. Angesehen zu werden. Gesehen zu werden.
Es ist und bleibt schwierig. Zu Beginn bin ich öfters gescheitert beim „einkaufen fahren“. Auf meinem Schoß habe ich einzelne Lebensmittel so drapiert, dass sie nicht runter fallen können, doch als er sich mühselig daran macht, eine Konservendose vom Regal zu holen, kullern mir natürlich Sack und Pack auf den Boden. Keiner half. Keiner half! Erst als ich um Hilfe gebeten habe.
Das eigentliche Problem ist doch, dass die Beschaffung lebensnotwendiger Lebensmittel eingeschränkten Menschen eine Tortur sein kann. Zumindest hier bei uns auf dem Dorf. Wie das in Großstätten ist, kann ich nicht beurteilen.Versucht beim nächsten Einkauf einfach mal,etwas aus der Kühltruhe herauszuholen, ohne euch zu bücken. So viele kleine Dinge, die sich summieren und es dann insgesamt doch schwierig machen. Ein kleiner Ansatz wäre aber schon, den Einkauf im Laden nicht auf dem Schoß oder in einem kleinen Körbchen, transportieren zu müssen. Es gibt sie, die rollstuhlgerechten Einkaufwagen. Doch leider nirgendwo in meinem direkten Umfeld. Das wäre vielleicht ein erster Schritt.
Während ich hier sitze und diesen Blogspot schreibe, reift in mir die Idee, dies zu ändern. Ich werde in den nächsten Tagen, die Geschäfte darauf aufmerksam machen und gezielt nachfragen. Inklusion und Barrierefreiheit muss stattfinden. Hier. Mitten unter uns. Nicht mit abstrakten Projekten.
Was leider auch gerne vergessen wird, ist genühgend Platz in den Gängen zu lassen. Manchmal – gerade wenn frische Ware ausgeräumt wird – gleicht der Einkauf einem Hindernislauf in einem Labyrinth. Jeder cm wird perfekt ausgenutzt. Die Einkaufwagen passen durch. Aber ein E – Rolli, der breiter ist als ein klassischer Einkaufwagen? Dazu noch mit einem Kinderwagen? Es ist schwierig und eine Herausforderung.
Auch die Kassenbänder sind sehr hoch. Es ist eine Anstregung die Artikel auf das Band zu legen und sie danach in den Kinderwagen und meine Tasche zu verstauen. Das Ganze noch bei dem Tempo, das in der Kasse herrscht. Junior hilft mittlerweile fleißig mit und es macht Spass mit ihm. Ja. trotz aller Schweirigkeiten bin nich froh, dass ich zumindest einen kleinen Teil alleine bewältigen kann. Zusammen mit ihm. Wie eine „normale Mama mit ihrem Kind“.
* Ich schreibe hier über einen normalen Lebensmitteleinkauf. Drogerie, Kleidung usw. kann ich bei uns im Ort nicht kaufen. Aus diesem Grund kann ich dies nicht ohne Hilfe erledigen.