Ich bin Mama. Im Rollstuhl. Mit einer neurologischen Erkrankung. Jeder Tag ist ein kleiner Sieg – und gleichzeitig ein Akt wider den gesellschaftlichen Narrativ, das immer wieder behauptet: Behinderte Frauen seien ungeeignet fürs Muttersein. Doch wir sind hier, wir sind da, wir sind viele – und wir sorgen. Für unsere Kinder. Für uns selbst. Aus diesem Grund habe ich, als ich selbst Mama wurde, Wheelymum ins Leben gerufen. Mit dem Größerwerden der Kinder verändern sich auch hier auf dem Blog die Schwerpunkte. Aber das Thema bleibt gleich. Krass bewusst, wurde mir das, als ich die ARTE-Dokumentation
„ Kein Recht, Mutter zu sein?“ gesehen habe.
Sie zeigt eindrucksvoll: In zwölf EU-Ländern – darunter Portugal, Finnland, Tschechien, Ungarn und Zypern – ist die Zwangssterilisation behinderter Frauen ohne deren Zustimmung noch immer erlaubt. Das ist keine dunkle Vergangenheit – das findet heute statt, 2025.
In der Doku erzählt die Autistin Sara Rocha aus Portugal von ihrem Kampf gegen die Zwangssterilisation: „Niemand hat das Recht zu entscheiden, ob jemand eine gute Mutter sein kann.“ Sie vernetzt sich mit Betroffenen überall in Europa, setzt sich für ein verbindliches Gesetz gegen diese Praxis ein – und zeigt, wie Elternschaft mit Unterstützung gelingen kann. Das Wohnprojekt in Berlin, in dem Sunny Stemmler mit ihrem Sohn Matteo lebt, ist ein starkes Gegenbeispiel gegen das verbreitete Vorurteil: Ja, behinderte Frauen können Mütter sein – wenn man sie lässt und begleitet.
Manche Geschichten in der Doku geben mir eine Gänsehaut, bei anderen machts ich ein sehr ungutes Gefühlt breit. Natacha aus Belgien wurde mit 24 trotz Mutterwunsch zwangssterilisiert – ihre Mutter habe „nur das Beste gewollt“, sie hätte sich aber von ihrer eigenen Autonomie beraubt gefühlt. Solche Bilder zeigen, was auf dem Spiel steht: unsere körperliche Selbstbestimmung – und nicht selten Teil unserer Identität als Frau und Mutter.
Diese Form von Gewalt ist kein Einzelfall. Im Jahr 2024 berichtete Reuters, dass auf EU-Ebene weiter Unklarheit herrscht, da die EU-Richtlinie gegen Gewalt gegen Frauen die Zwangssterilisation zwar anerkennt – aber kein verpflichtendes Verbot enthält. Der Europäische Behindertenrat (EDF) fordert seit Jahren ein bundeseinheitliches Verbot. Betroffene wie Cristina Paredero, die selbst mit Zwang beigedrängt wurde, kämpfen dafür, dass ihr Körper, ihre Wünsche, ihre Zukunft respektiert werden.
Dazu kommt die Alltagsdiskriminierung im Gesundheitssystem: In Frankreich war laut Euronews die Praxis bis 2001 legal; auch heute noch berichten Betroffene von Fällen, in denen Ärzt*innen auf Wunsch der Mutter oder Institution sterilisieren, weil andere Verhütungsmethoden „zu aufwändig“ seien – ohne echte Aufklärung, ohne informierte Zustimmung. Die Geschichten von Rosario in Spanien oder von Piroska in Ungarn zeigen, dass Zwang über viele Wege erfolgen kann – und oft unter dem Deckmantel des Schutzes verborgen wird. Das ist ein gängiges Merkmal, dass unter dem Vorwand des eigenen Schutzes Sonderwelten aufgebaut werden.
Für mich ist das mehr als eine politische Debatte. Das Gefühl als betroffene Mama ist: Du wirst beurteilt, kriminalisiert, übergangen, nicht ernst genommen. Weil ich im Rollstuhl sitze, weil mein Körper anders funktioniert. Meine Kinder sagen: „Du bist meine Mama“. Wir lachen, streiten und leben. Sind eine Familie.
Elternassistenz, begleitende Elternschaft und barrierefreie Angebote, solche Unterstützungsformen sind kein Luxus, sondern absolut notwendig. Sie öffnen Räume, in denen Eltern mit Behinderung als gleichberechtigt akzeptiert werden. Das wird im Film gut erklärt. Inklusion heißt auch: zuhören, anpassen, unterstützen. Statt diskriminierende Schutz- und Vormundschaftsstrukturen brauchen wir echte Partnerschaft.
Der Aufruf ist klar: Bitte nehmt euch 30 Minuten Zeit für diese Doku. Achtet auf die Geschichten von Sara, Natacha, Sunny. Hört zu – und handelt: Forderungen nach einem EU-weit verbindlichen Sterilisationsverbot dürfen nicht verhallen. Öffentlich, parlamentarisch, persönlich.
Denn: Jeder Mensch hat das Recht auf Mutterschaft – auf Selbstbestimmung, Freiheit und Respekt. Gerade als Mama mit Behinderung ist der Weg steinig. Aber wir gehen ihn – gemeinsam, stark und mit Liebe. Bitte lasst uns nicht mehr allein.
Eure
Wheelymum
