Eins vorweg – ich teile hier meine Gedanken. Es ist mir bewusst, dass ich gerade weder im Krieg lebe noch flüchten muss.
Vor genau 3 Wochen bin ich morgens aufgewacht und habe das Handy in die Hand genommen. Ich lag in meinem warmen Bett, den Nachtduft noch im Zimmer. Schlechte Angewohnheit aber so ist es. Ich öffnete den Nachrichtendienst und hör mich noch selbst lautlos sagen: „Er hat es tatsächlich gemacht. Er schießt auf die Ukraine.“ Ab diesem Moment fuhr mein Kopf seinen eigenen Film. Ich konnte das kaum steuern. Dabei war doch Fasching und die Kinder durften verkleidet in den Kindergarten und Schule.
Wie unwirklich mir das alles vorkam. Gleichzeitig war mein Entsetzten so groß, dass Junior (Grundschüler) bereits an diesem Tag mitbekam, dass es einen Krieg in Europa gab. Er wollte wissen was genau passiert ist und ich habe mir Zeit erbeten. Ich sagte: „Ganz genau weiß ich es auch noch nicht. Gib mir ein wenig Zeit mich zu informieren und dann sprechen wir darüber. Ich will dir auch nichts falsches sagen.“ Diese Zeit gab mir der Schultag. Den Tag über liefen hier die Sondersendungen fast ununterbrochen und ich versuchte das unbegfreifbare etwas zu fassen. Das gelang mir nicht.
Meine Gedanken gingen sofort an die Menschen mit Behinderungen in der Ukraine und wie wenig Fluchtmöglichkeiten sie nun haben werden. Das Menschenrechte eben leider immer noch nicht für alle zählen. In meinem Kopf entstand ein riesiges Wirr – War. Und gleichzeitig das Versprechen, dass ich Junior gegeben hatte, mit ihm am Nachmittag darüber zu reden.
Wie ging es euch denn an diesem Morgen?
Könnt ihr euch hier irgendwo wiederfinden?
Auf Kinder ist Verlass. Wenn sie etwas interessiert wird die Frage wieder kommen und genau so war es bei Junior eben auch. Wir haben in unserem Leben nun schon einige Krisensituationen erlebt und einige davon wurden auch mit professioneller Hilfe begleitet. Fast alle Schritte waren ähnlich
- Nachfragen, was die Kinder genau wissen
- einfache Sprache
- wahrheitsgemäße Antworten, ohne zu beschönigen. So viel wie nötig erzählen, so wenig wie möglich ins Detail gehen. Meistens klären sich diese Dinge, wenn man genau die Fragen der Kinder beantwortet und nicht mehr. Aber auch nicht viel weniger, denn sonst können in den Köpfen der Kinder noch viel schlimmere Bilder aus ihrer Phantasie gezeichnet werden.
- Den Umfang und die Einzelheiten des Gespräches immer am kindlichen Interesse und dem Verständnis anknüpfen. Gerne auch anbieten zu einem späteren Zeitpunkt weiter zu sprechen oder sich selbst eine kleine Pause verschaffen in dem man offen sagt: Darüber muss ich erst einmal nachdenken. Gib mir bitte ein paar Minuten dafür.
- Wir dürfen und sollten authentisch sein und unsere eigene Betroffenheit, unser Mitgefühl ehrlich äußern.
- Unsere eigene Angst und Unsicherheit sollten wir aber mit anderen Erwachsenen besprechen, ohne Hörweite der Kinder. Dieser Punkt ist für mich besonders schwer.
Ebenso wie der nächste Punkt, der sich eben genau auf den Krieg bezieht
- In Deutschland sind wir aktuell sicher, Menschen aus der Ukraine kommen auch zu uns um. hier in Sicherheit zu sein. Diese Infos sind mir gerade am ersten Wochenende sehr schwer gefallen. Ich habe viel geweint und wollte das nicht vor den Kindern zeigen. Als ich hörte, dass die Männer in der Ukraine bleiben müssen, spulte sich vor meinem inneren Auge wieder ein Film ab. Ich alleine auf der Flucht mit den Jungs. Im Rollstuhl, Mit 8 kmh und einer Reichweite von ca. 10 – 12 km bei gleichmäßigem Fahren. Wir hätten keine Chance. Das war der Punkt an dem ich mir auch selbst
- Medienpausen ganz bewusst einsetzten
verordnet habe. Mit Kindern im Vorschul – oder Grundschulalter sollte man keine Erwachsenennachrichten und keine Sondersendungen schauen. Gleichzeitig sollte man vielleicht auch darauf achten, dass keine Nachrichten im Radio laufen.
- Medien gezielt einsetzten
Bei kleineren Kindern können es Bücher sein, für Schulkinder sind die Kindernachrichten, wenn sie gemeinsam angeschaut und besprochen werden vielleicht eine Möglichkeit. Logo ist bei uns leider raus gefallen, bzw. wir schauen das nach, denn die Nachrichten direkt vor dem Einschlafen, waren hier keine gute Idee. Bei älteren Kindern, gerade mit eigenem Handy lasst euch zeigen, was sie anschauen. Gerade auf Tik Tok gehen immer wieder brutale Videos herum die verstörend wirken können. Unser Gehirn kann im ersten Moment nicht unterscheiden, zwischen dem was es sieht und dem was es im realen Leben erlebt.
- Vorurteilsbewusste Sprache nutzen
Nicht Russland greift die Ukraine an, sondern der Präsident. Nicht die Russen sind schuld am Krieg. Das Verhalten muss abgelehnt werden, z.B. dass die Soldaten schießen, aber nicht die Person an sich. Dies gelingt mir im Bezug auf den konkreten Angriffskrieg ganz gut. Aber ich ertappe mich immer wieder dabei, wenn es zum Beispiel um Öl, Heizkosten oder Spritpreise geht, dass ich hier auf den Krieg schimpfe. Natürlich können die Kinder das bereits in Zusammenhang bringen. Dies ist eindeutig eine Baustelle an der ich noch immer arbeiten muss. Denn genau diese Punkte sind wichtig, damit hier in Deutschland niemand ausgeschlossen wird.
Wir schauen aus diesem Grund auch immer wieder auf die Menschen in Russland, die ihre Meinung kundtun und sich gegen den Krieg stellen, aber eben auch darauf, wie schwer es ist, seine Meinung dort frei zu äußern.
Viele von euch, machen das alles genau so und haben noch viele weitere Tipps. Kommentiert gerne.
Ich musste mich erst einmal sammeln um hier nach und nach meine Gedanken dazu aufschreiben zu können.
Eure