Wehen, Blasensprung und gute Wünsche

Erstellt am 13. Mai 2016

Vergangene Woche erreichte mich die Nachricht, das bei einer Bekannten die gerade im Urlaub in Spanien weilt, die Fruchtblase geplatzt ist. Viel zu früh. Sie kam dort ins Krankenhaus, bekommt Antibiose und muss nun liegen. Das Kind wird auf jeden Fall dort zur Welt kommen. Zu früh, in einem fremden Land, mit einer Sprache die weder die werdende Mama noch der Papa verstehen.

Timehopp:

Vor genau 3 Jahre war ich mit meinem Sohn schwanger. Seit der 20 Woche hatte ich Wehen und musste zu Hause liegen. Bei einem Kontrollbesuch in der 25 SSW beim Frauenarzt wurde ich an das CTG angeschlossen und danach haben mein Mann und ich im Untersuchungszimmer auf meine Ärztin zum Ultraschall gewartet. Die Frauenärztin öffnete die Tür und ich sah in ihrem Blick was jetzt passieren würde: In ruhigen Worten sagte sie zu mir: „Liebe Wheelymum, mit diesem CTG können Sie leider nicht mehr zu Hause bleiben. Es zeigt ganz regelmäßige Wehen.“

Mein Einwand, dass ich das doch schon seit 5 Wochen habe und ich bereits in der Klinik vorstellig war, nahm sie zur Kenntnis und antwortete mir: „Das weiß ich, aber mit diesem CTG, bin ich sehr sicher, das Sie in der Klinik bleiben müssen. Packen Sie einen Tasche für mindestens 2 Wochen. Ich gehe auch davon aus, dass Sie noch heute die Lungenreifungsspritze bekommen werden.“ In diesem Moment verstand ich, was hier gerade passierte. Bevor wir mit der Einweisung in der Hand, die Praxis verließen, nahm Sie mich in den Arm, gab mir ihre Handynummer und wünschte uns alles Gute.

Eine Stunde später lag ich im Kreißsaal der Frauenklinik. Um mich herum der Herzmann, 1 Hebamme, 1 Oberarzt, 1 Assistenzarzt, 3 Gesundheit – und Krankenpflegerinnen und der Anästhesist sowie Kinderarzt waren bereits zum Aufklärungsgespräch gerufen. Der Gebärmutterhals war so gut wie verschwunden und die Wehen – die ich gemeinerweise kaum spürte – waren nach wie vor da. Dann ging alles ganz schnell. Ich bekam einen Zugang gelegt und wurde an den Wehenhemmer in der höchsten Stufe gehängt. Kurz danach bekam ich die erste Lungenreifungsspritze. Der Anästhesist kam zu mir und führte ein Narkosegespräch, falls in den nächsten Tagen ein Kaiserschnitt nötig sein werde. Mein Puls schoss in die Höhe, ob wegen des Wehenhemmer oder vor Aufregung sei dahingestellt.

Ich wurde wieder an das CTG angeschlossen und sollte eine Weile daran bleiben. Nach 2 Stunden wurde es abgemacht und wir hatten nochmals ein Oberarztgespräch. Das Nahziel war, die Geburt so lange hinauszuzögern, bis die Lungenreifungsspritze wirkt. Konkret bedeutete das, 5 x täglich 60 Min CTG, absolut strengste Bettruhe: kein duschen, kein Haare waschen, Essen im Liegen, lediglich zum Toilettengang durfte ich aufstehen, 24 Std. lang Tokolyse (Wehenhemmer) auf der höchsten Stufe für die nächsten 3 Tage.

Ich wurde in ein Dreibettzimmer auf der Entbindungsstation gebracht. Welch Glück, dass ich strengste Bettruhe hatte, denn dieses Zimmer war absolut nicht barrierefrei oder rollstuhltauglich.

Wehentropf.jpg

Wir haben diese Tage überstanden. Irgendwie. Zwischen Bangen und Hoffen. Weinen und Kämpfen. Irrael und gleichzeitig so präsent das nichts in der Welt  sonst existiert. Der Wehenhemmer wurde am 4. Tag eine halbe Stufe zurückgefahren. Eine Woche später hatte sich auch der Gebärmutterhals entspannt und war wieder vorhanden. Der Plan sollte sein, den Wehenhemmer nach und nach auszuschleichen und nach ca. 2 Wochen sollte ich entlassen werden.

Aber wie das mit Plänen so ist… Weiter zurück als auf Stufe 2 konnte man ihn nicht stellen, ohne dass wieder geburtswirksame Wehen einsetzten. So hieß es für mich, an der Nadel bleiben. In der Frauenklinik bleiben. Im Bett bleiben (zumindest bis SSW 32 ganz strikt). Bei zwischenzeitlich 40C im Schatten ohne Klimaanlage. 3X täglich CTG, und warten und ausharren. In dieser Zeit wurden mir insgesamt 86 Zugänge für die Infusionen gelegt. Es war nicht schön. Es war anstrengend, kräftezeherend und nervenaufreibend. Tränen der Verzweifung gab es viele. Aber es gab auch schöne Momente. Die Lebensfreude kam zurück, es wurde gelacht und jeder überstande Tag gefeiert. Es war auszuhalten. Denn ich hatte ein Ziel und ich tat dies nicht für mich sondern für mein Kind. Dieses Bewusstsein setzt unheimliche Kräfte frei. Und jeder Tag lohnt sich. Und die Belohnung am Ende, die ist nicht in Worte zu fassen.

 

Seit 3 Jahren triggert mich der Monat Mai. Schlichtweg mit seiner Existenz. Als ich nun vom Blasensprung der Bekannten erfuhr, kamen alle diese Erinnerungen (und davon gibt es sehr, sehr viele) in geballter Form nach oben. Und gleichzeitig bin ich dankbar, dass ich das Glück hatte, in der Nähe meiner Familie in der Klinik zu liegen. Das ich die Sprache meiner Ärzte verstand, oder zumindest nachfragen konnte. Das ich Zimmernachbarn (sehr viele wechselnde, erst gegen Ende eine feste Nachbarin) hatte mit denen ich mich austauschen konnte. Und das mein Mann bei mir war. Er kam um mich zu besuchen, er konnte bei wichtigen Arztgesprächen dabei sein. Er war einfach da. Wenn alles gut geht, wird der Mann unserer Bekannten, auch bald wieder bei ihr sein und dann auch bleiben können. Aber dennoch, man kämpft, nimmt den Zustand an und hofft. Denn: „Jeder Tag zählt.“

 

 

Nachtrag am 28.7.16

Das Baby ist da. Es kam etwas mehr als 7 Wochen zur früh zur Welt. Nach ein paar sehr intensiven und anstrengenden Wochen ist die kleine Familie nun endlich zu Hause angekommen und hat sich gut eingelebt. Es sieht so aus, das alles gut ging. Es gibt sie die kleinen und großen Wunder in unserem Leben! Lasst sie uns wertschätzen und dafür dankbar sein.

wheelymum

Share This:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert