Wackelzahnpubertät – das Leben als 5 Jähriger ist furchtbar schwierig

Habt ihr schon einmal etwas von der Wackelzahnpubertät gehört? Sie hat viele Namen so zum Beispiel auch 6 Jahreskrise oder Vorschulpubertät, Wackelzahnrebellion oder oder oder,… alle meinen so ziemlich das Selbe. Es geht um die Zeit des Umbruches, aus dem Kindergartenkind wird ein Schulkind. Von überall her wird einem vermittelt, dass sich viel manchmal auch alles ändern wird. Die Kinder spüren selbst, dass sie sich verändern. Aber sie können nicht genau einschätzen was geschehen wird. Wie denn auch? Sie haben keine Vorstellung davon und vielleicht auch eine ganz natürliche Angst vor dem Neuen und Unbekannten. Aus der Waldorfpädagogik gibt es dazu den schönen Satz und das Buch: Wackeln die Zähne – wackelt die Seele* *(Link zum Partnerprogramm)
Die Kinder wissen nicht ob sie groß sind oder doch lieber noch ganz klein. Das beginnt am Morgen, wenn Junior, wie sein Bruder ein Baby sein mag und einfach nur kuscheln möchte. Am liebsten würde er auch aus dem Bett an den Frühstückstisch getragen werden. Dort muss es dann genau das gewünschte Frühstück sein. Natürlich mit dem passenden Löffel mit der Rundung oben – ist es dieser nicht, kann man sicher von einem Wutausbruch ausgehen. Dieser Wutausbruch kann aber auch ausgelöst werden durch: Es ist zu viel Müsli oder zu wenig. Die Milch ist noch verschlossen, da er sich selbst einschütten wollte und das nun doch nicht so ist. Oder weil die Sonne blendet und diese überhaupt scheint. Oder… ihr könnt jede beliebige Situation aus euren Vorstellungen einfügen.

 

Nachdem wir das Frühstück irgendwie hinter uns gebracht haben, bemerke ich beim Anziehen, dass die Kleider, die gestern noch gepasst haben, heute schon wieder zu klein sind. Dieses Kind wächst wie verrückt in den letzten Wochen. Dazu entscheidet er selbst – und zwar ausschließlich er selbst – was er anzieht. An einigen Tagen, klappt das gut, an anderen gleicht es einer Katastrophe.

Es folgt die nächste Wundertüte. Kindergartenzeit. In den letzten Wochen war dieser Kindergarten ganz furchtbar. Es war ihm alles zu langweilig, er kannte alles. Er wird von den Erzieherinnen gemahnt, weil er sich nicht immer wie ein Schulanfänger verhält. Dieser Webrahmen muss fertig sein, bis er in die Schule kommt. Dies und jenes soll erledigt sein, bis er den Kindergarten verlässt. Und andere Punkte sollte er noch können, bis er in die Schule kommt. Man spürt wie hier langsam Druck entsteht. Es ist alles lieb gemeint, man möchte die großen Kinder gut auf die Schule vorbereiten. Dadurch entsteht aber bei Junior das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Die Angst vor dem neuen wird noch großer – er bekommt das Gefühl er kann dem vielleicht gar nicht gerecht werden. Also flüchtet er zurück in das andere Extrem. Ich bin doch noch so klein.

Der Kindergarten ist damit nicht alleine. Auch ich ertappe mich hin und wieder und denke: pushe, so langsam sollte das aber schon klappen – er muss in der Schule ja auch, dies oder jenes können, machen usw. Doch auch damit ist es nicht genug. Von außen kommt immer mehr, dass die Welt um ihn herum, plötzlich ganz andere und viel höhere Erwartungen an ihn hat, als noch vor einem halben Jahr. Er ist ein Vorschulkind, gerade im Kindergarten ist er damit bei den Großen. Ihm ist ganz bewusst, dass er viele Dinge zum letzten Mal erlebt. Abschiede fallen ihm schon immer schwer. Dazu ganz viele neue Dinge und die Angst vor dem Unbekannten: Schulanmeldung, Schuluntersuchung, das Schulgelände usw.

Du schnupperst schon einmal in die Schule hinein.

 

Selbstverständlich ist dabei aber auch die Vorfreude und das Gefühl, ich bin schon Schulanfänger, in der Schule lerne ich Neues, dann kann ich endlich lesen usw.

Diese ambivalenten Gefühle begleiten ihn und uns durch den Tag. Er ändert seine Meinung unheimlich schnell. Manchmal so schnell das ich ihm nicht folgen kann. In diesem Zusammenhang spürt man sehr, seine Hilflosigkeit. Er kann die Situation nicht ändern – ich auch nicht.

Wir versuchen sie abzufangen, indem wir ihn dadurch begleiten. Ihm neue Herausforderungen bieten. Dinge in denen er seine Ängste überwinden kann, Dinge die ihn herausfordern. Bei uns ist hier aktuell die Schatzsuche eine Form, um damit umzugehen. Dabei sind die Aufgaben so gestellt, damit er hier auch Dinge bewältigen kann, die er sich sonst nicht zutraut oder bei denen ihm die Ausdauer fehlt.

Freundschaften bekommen eine neue Bedeutung uns es beginnen Machtkämpfe. „Wenn du nicht das oder das machst, dann nehme ich dir deine Zauberkräfte und du darfst nicht mehr mitspielen.“ Was im Kindergarten versucht wird irgendwie zu tolerieren, bricht dann zu Hause, in ganz anderen Situationen aus ihm heraus. Nicht nur er versteht sich nicht, auch ich verstehe die Welt nicht mehr – seine und meine, bis wir irgendwann viel, viel später zu dem Hintergrund kommen. Dieses „begleiten“ wird auch für mich immer schwieriger.

Veränderungen gehören zwar zum Leben dazu und werden oft von Vorfreude begleitet, aber sie verunsichern auch und machen vor allem nicht selten eine gehörige Portion Angst. Genau das ist der Punkt. Der Grund für die Wackelzahnpubertät ist Angst. Angst vor dem Neuen und Unbekannten. Kindern ist nicht möglich, dies so zu kommunizieren. Also drücken sie es auf ihre Art aus: Junior wird, gefühlt aus dem Nichts, wütend oder ist vollkommen aufgelöst (z.B. weil es etwas zu essen gibt, was er sich gestern gewünscht hat) Hier ruhig zu bleiben ist nicht immer einfach für mich. Das Bewusstsein, dass er dies nicht direkt steuern kann, hilft (manchmal) ein wenig.

 

Das gewünschte Wunschkind beschreibt, dass Eltern hier eine Art Blitzableiter sind. Und ich denke das passt auch auf uns ganz gut. Bereits in der Eingewöhnung war dies so. In einer anderen Umgebung, nehme ich alle Ressourcen zusammen, und versuche mich zu beherrschen. Aber zu Hause, im geschützten Rahmen, in dem Bewusstsein, dass ich immer geliebt werde, bricht alles aus mir heraus. Ich explodiere – auch bei einem ganz anderen Auslöser, als das was mich wirklich beschäftigt. Der Satz: „Dein Kind tut nichts gegen dich, sondern stets etwas für sich. Seine Ausbrüche sind der Spiegel seiner Verzweiflung und Überforderung“ hat mir dabei auch geholfen.

 

Denn während der Zeit darf man nicht vergessen, er ist 5 Jahre alt. Schon 5 Jahre – oder erst 5 Jahre. Er hat noch nicht ausreichend Kapazitäten all seine Emotionen zu regulieren. Kinder haben in diesem Alter einfach noch nicht genügend Strategien um das zu verarbeiten. Und dann kommt der Switch – und das eben noch „große und wütende“ Vorschulkind, wird wieder klein. Er kuschelt sich an mich, möchte nicht alleine sein, braucht Hilfe und Unterstützung in Dingen die er schon lange alleine macht.

 

 

Das alles ist nicht einfach. Für keinen von uns. Was hilft?

Ich arbeite an mir, versuche ruhig zu bleiben und meine Grenzen zu wahren. Mir bewusst zu machen, dass er sich nicht so verhält um uns zu ärgern oder zu verletzten, sondern weil er selbst nicht weiß, was er will oder braucht. Ich probiere ihm Junior Aufgaben und Herausforderungen zu geben. Dabei für ihn da zu sein, zuzuhören, ihn ernst nehmen in seinen Gefühlen, ihn zu bestärken, zu kuscheln und zu vermitteln – du bist gut!

 

Bei ganz vielen Kindern ist das so. Und bei jedem noch etwas anders. Auf seine eigene Art. Das gewünschte Wunschkind aller Zeiten hatte dazu einen Podcast und auch Susanne von NullPunktZwo hat darüber geschrieben. Sie hat mich damit motiviert, diesen Beitrag doch zu Ende zu schreiben und online zu stellen. Lasst uns doch einfach einmal sammeln und uns austauschen. Denn genau dies ist das tollen an diesem Internet – es zeigt uns, das wir mit den Themen die uns bewegen nicht alleine sind.

Eure

wheelymum

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3 Kommentare

  1. Lydiaswelt

    Wie Recht Du damit hast. Als Mutter zweier inzwischen erwachsener Kinder kann ich das voll und ganz bestätigen. a

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  2. Annie

    Dieser Beitrag kommt wie gerufen… Wir stecken gerade mitten drin. Zweimal habe ich diese Zeit schon überstanden, doch diesmal, und gleichzeitig schwanger, merke ich, wie dünn meine Nerven und meine Geduld sind. Das Kind war schon immer anhänglich, es wurde endlich einfacher, und jetzt doch wieder morgens im Kindergarten ein herzzerreißend jammerndes Kind aus meinem Arm gerissen zu bekommen, damit ich überhaupt gehen kann. Das gleiche Kind, das seit dem Vorabend diskutiert, warum es in den Ferien doch gerne im Kindergarten sein würde, statt mit den Geschwistern zuhause. So groß und taff und gleichzeitig klein. Und ich weiß natürlich auch, dazu noch ein neues Geschwisterchen macht es nicht leichter und bringt noch mehr Veränderung. Trotzdem alt mit zur Zeit das Begleiten und Verständnis behalten sehr schwer. Meine sonst so unendliche Geduld ist erschöpft…

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    1. wheelymum (Beitrag Autor)

      Ich fühle sehr mit dir. Auch unser Wochenende war von diesem Zwiespalt geprägt

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