geschrieben am 23 Feb. 2016
Es schreit. Wütend höre ich Geschrei aus dem Kinderzimmer. Kein – ich hab mich verletzt weinen – eher ein – das funktioniert nicht so, wie ich es will schreien. Gleichzeitig höre ich es weinen und bis ich reagieren kann, weiß ich schon, dass ich es gleich knallen hören werde. Irgendetwas fällt jetzt gleich zu Boden. Darf ich vorstellen: Junior wie er leibt und lebt.
Aufgelöst kommt er zu mir und kuschelt sich an mich. Sobald er sich etwas beruhigt hat, frage ich ihn warum er gerade so wütend ist. Meist bekomme ich als Antwort: „Des deht net.“
Das faszinierende an der Situation ist: Sobald er mir erklärt hat, was denn eigentlich los ist, stiefelt er davon und löst sein Problem. Alleine. Oder er nennt mir einen Lösungsvorschlag. Jedes Mal bin ich davon aufs Neue fasziniert.
Ok – die Lösungen sind eigenwillig und ich muss mich manchmal auch etwas zurückhalten und mir erst nochmal das Problem vor Augen halten. Aber es sind seine Lösungen. Für sein Problem. Und danach ist für ihn die Welt wieder in Ordnung. Wenn ich ehrlich bin, sind das die Momente an denen ich zwischen Stolz und Entsetzten schwanke.
Hier ein paar Beispiele:
Eine Freundin ist hier und lässt sich im Wohnzimmer von mir für den Faschingszug schminken.
Ihre Schminkfarben stehen auf dm Tisch. Junior malt sich selbst an – mit dem Schwamm. Als ich den Pinsel für die Freundin brauche:
„Is brauch des auch.“
„Jetzt nicht Junior, später“
„Neeeeeeeeeeeeeeeein…….“ und geht schreiend davon.
Kommt 2 Min später wieder mit der Aussage:
„Is hab einen besseren.“ In der Hand hält er den Backpinsel aus der Küchenschublade.
Problem → Lösung
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Im Badezimmer findet er einen kleinen Deckel.
Er versucht diesen am Wasserhahn mit Wasser zu füllen. Leider funktioniert das nicht, weil der Strahl zu stark ist. Das ganze Badezimmer ist nass. Aber dieser kleine Deckel nicht.
Geschrei, gepolter,… kleine schnelle Schritte auf dem Weg in die Küche,…. Kurz darauf begegnet mir ein glückliches Kind, mit einem kleinen Deckel voll mit Wasser. Er hat sich in der Küche einen Becher geholt. Diesen mit Wasser gefüllt und dann das Wasser umgeschüttet. Das Ganze hat wunderbar funktioniert. Beim zu mir laufen, ist jetzt leider wieder ein Teil des Wassers auf dem Boden gelandet.
Des macht nix, Mama. Is hol mein Becher, dann kann is des wieder auffülle.
Gesagt, getan.
Problem → Lösung
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„Was machst du Mama?“
„Ich richte deine Schwimmbadtasche.“
„Da deh is net hin. Da is so laut.“
„Jetzt gehst du mal mit Papa hin, und wenn es dir zu laut wird, dann gibst du Papa Bescheid und ihr geht heim.“
„Neeeeeeeeeeeeein,….. “ geht davon. Ich höre die Schranktür knallen. Er kommt wieder und streckt mir freudestrahelnd seine Ohrenschützer entgegen.
„Die nehm is mit, Mama. Wenn mir beim swimme zu laud is, dann zieh ich die an.“
Probelm → Lösung
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Junior findet eine Nuss. Er nimmt sie mit zur Nussklapper. Im nächsten Moment kommt er weinend zu mir gerannt. In der einen Hand die Nuss, in der anderen die Nussklapper. Ich bin da für ihn und er hält die Situation aus. Als er sich etwas beruhigt hat erklärt er mir:
„Die Nuss is besser, die muss da drauf.“
„Wir können mit der zweiten Nuss auch eine Nussklapper basteln“
„Neeeeeeeein… die muss da drauf.“
„Das geht nicht, die Nüsse sind da schon aufgeklebt.Ich bekomme die nicht mehr ab.“
Tja… das war wohl das Schlagwort.
„Is mach was.“ Er gibt mir die verschlossene Nuss und geht mit der Nussklapper in sein Zimmer.
Danach in die Küche und schiebt sich einen Stuhl in sein Zimmer.
Er holt sich seine Schere und versucht die beiden Enden der Klapper (Mit den Nüssen) abzuschneiden. Die Hälfte schafft er, dann reißt er weiter.
Voller Stolz kommt er zu mir und streckt mir den Papierstreifen hin:
„Jetzt sind die ab. Jetzt dann die besser Nuss drauf.“
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Ich sitze staunend daneben. Eben ging gerade noch die Welt unter. Die Möglichkeit zunächst einmal dieser Wut Ausdruck zu verleihen (Werfen ist nicht das Beste, aber wir arbeiten daran) und danach mit etwas Abstand zu betrachten und evtl. noch ein bisschen Zuspruch und die Situation ändert sich schlagartig. Irgendetwas macht Klick im Kopf und ab jetzt steht nicht mehr das Problem im Vordergrund, sondern die Suche nach einer Lösung.
Kinder überlegen Dinge nicht zu Tode. Sie fangen einfach an. Ihre Gefühle, ihren Unmut müssen sie ausleben um danach den Kopf frei zu haben. Und dann geht manchmal alles ganz schnell. Es wird nicht überlegt, wenn ich das mache, dann könnte passieren das… oder Das ist deswegen gut ABER,….
Nein. Sie vertrauen auf sich und auf ihre Ideen. Die Erfolgsergebnisse geben ihnen recht. Und selbst wenn nicht, ein neues Problem ist eine neue Herausforderung. Vielleicht ist das (auch) ein Punkt, wo die Kinder zu unseren Vorbildern werden können.
Unabhängig davon zeigt uns dieses Verhalten, dass wir auf unsere Kinder vertrauen können. Wenn unsere Kinder ein Problem haben und dieses selbst lösen können, lernen sie unheimlich viel. Die Lösung sollte nicht mit unseren Erwachsenenaugen betrachtet werden. Sobald die Lösung für das Kind eine gute Lösung ist, dann ist es eine gute Lösung. Ein Kind lernt so viel in seinem einfachen Tun. Vertraut Euren Kindern. Nehmt ihnen nicht alles ab. Kinder brauchen die Möglichkeiten und den Rahmen um sich und ihre eigenen Lösungen ausprobieren zu können. So können sie zu starken und selbstbewussten Persönlichkeiten werden, die sich auch von einem Rückschlag nicht unterbekommen lassen.Wenn wir Erwachsenen immer gleich springen, dann nehmen wir den Kindern die Möglichkeit, ihre eigenen Erfahrungen zu sammeln.
Und manchmal haben unsere Kinder auch einfach die wunderbaren Einfälle, die wir nie erleben würden, wenn wir ihnen die Lösungen vorkauen.