Eltern mit Behinderung meets Bücherwoche

Erstellt am 17. März 2016

In der Bücherwoche wird es selbstverstänldich auch die Blogreihe: Eltern mit Behinderung geben. Für diese Bücherwoche konnte ich aber leider kein Buch finden, dass von einem Elternteil mit Behinderung geschrieben wurde und ich hier vorstellen könnte. Kommt vielleicht noch. Dafür kam Cornelia Klößinger auf mich zu. Sie hat ein Buch geschrieben, welches wunderbar zum Blog passt:
Wie Eltern mit Körper- oder Sinnesbehinderungen erziehen: Und was die Kinder dazu sagen

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Conny hat das Buch ihm Rahmen ihrer Dissertation geschrieben. Demzufolge ist ein Fachbuch, welches zunächst die beiden Grundthemen Behinderung und Famile aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Sichtweisen beleuchtet. Das Herzensstück des Buches sind Interwies. Interwies mit Kindern, welche behinderte Eltern haben. Teilweise sind beide Elternteile behindert, manchmal einer. Es werden sämtliche Sinnesbehinderungen angesprochen aber auch Körperbehinderungen (z.b. durch Contergan oder MS), so dass ein guter Überblick entsteht, wo bei den jeweiligen Behinderungen, die Einschränkungen und Besonderheiten für Kinder und Eltern lagen. Insgesamt sind 17 Interviews aufgeführt, die alle den selben Aufbau haben:

  • Vorabinformation
  • Die Behinderungen
  • Biographische Eckdaten
  • Die Eltern von…
  • Die Person…
  • Menschliche Kontakte außerhalb der Familie
  • Gemeinsame Aktivitäten der Familie
  • Der Kontakt zu Gleichaltrigen
  • Soziale Kontakte der Eltern
  • Konflikte und Verhaltensweisen während Meinungsverschiedenheitn zwischen den Eltern
  • Reaktionen von Menschen außerhalb der Kernfamilie
  • Diskriminierungserfahrungen
  • Hilfsmittel und Umgangsweisen
  • Personelle Hilfen
  • Unterstützung seitens der Kinder
  • Reflexionen des Interviewten
  • Auseinandersetzung mit dem Thema Behinderung
  • Eigenes Leben und Sichtweisen

Diese Interviews sind eine absolute Leseempfehlung!!! Sie gewähren sehr persönliche Einblicke in die Familien und sind eine wahre Bereicherung. Dazu ist der Interviewteil nicht in Fachsprache geschrieben, sondern wirklich für jeden lesenswert. Das die – mittlerweile selbst erwachsenen –  Kinder von Eltern mit Behinderungen zu Wort kommen, ist ein interessanter Ansatzpunkt.

Nach den Interviews erfolgt durch die Autorin eine Auswertung. Auch wenn diese in Fachsprache geschrieben ist, fand ich sie sehr aufschlussreich und interessant. Am Ende befindet sich eine CD mit den kompletten Interviews.

 

Inhaltlich möchte ich nicht näher darauf eingehen, da die geführten Interviews sehr persönlich und auch sehr unterscheidlich sind. Ich möchte Euch nur sagen, lest es. Egal ob ihr Kontakt zum Thema Behinderung habt, oder nicht. Die Sichtweisen verändern sich, nach diesem Buch. (Ich bekomme für diesen Artikel keine Bezahlung, ich bin einfach restlos überzeugt)

 

Conny Klößinger ist mittlerweile selbst Mama. Es hat mich sehr interessiert, warum Sie dieses Buch geschrieben hat und ob sich dadurch für Sie etwas verändert hat. Deswegen habe nun ich sie interviewt:

Bitte stelle uns dich und deine Familie doch einmal kurz vor.

Wir sind die Klößingers: Papa Günther ist Pädagoge, macht eine Sendung beim Freien Radio und ist als Märchenerzähler unterwegs.                                                                                     Mama Conny ist Lehrerin und hat zum Thema Elternteile mit Körper- und Sinnesbehinderungen promoviert.                                                                                                            Yann und Giuliana sind Zwillinge und sind bald 2 Jahre alt. Giuliana äußert, dass sie Lila, Patin Maria, Bananen und Brot und das Baden mag.Yann isst gerne, bewegt sich gerne und zieht gerne blaue Pullover an.

Übrigens ist Papa blind und Mama ist schwerhörig. Die Kids sind nicht behindert.

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Conny, du hast ein Buch geschrieben, indem unter anderen Kinder von Eltern mit Behinderungen, Interviews geben. Wie kam es zur Entstehung des Buches?

Ich hatte, seitdem ich drei Jahre alt war, die Idee zu promovieren. Damals hat mir meine Mutter erklärt, warum die Ärzte oft „Doktor“ heißen. Und ich meinte: „Ich auch.“ Das hatte ich in meinem weiteren Leben mal mehr und mal weniger im Blick. Doch daran festgehalten habe ich immer. Und zu einer Promotion gehört eine Veröffentlichung. Man kann das auch ins Internet stellen, geht auch. Doch ich hatte die Idee für ein Buch. Und es hat gut sehr geklappt.

Du hast ettliche Interviews geführt. Die (erwachsenen) Kinder, waren sehr offen. Was hat dich an den Interwies am meisten bewegt?

Ich habe mit jedem mitgefühlt, den ich interviewt habe: mit den Höhen und Tiefen. Besonders im Gedächtnis bleibt mir das Kind, das mit seinem Papa im E-Rolli das Rollschullaufen erlernt hat: schön festhalten und eines Tages, wenn man sicher ist, loslassen. Und auch die blinde Mutter habe ich vor Augen, der ihre jugendliche Tochter lieber ihre Kleidereinkäufe gezeigt hat, als dem nicht behinderten Vater. Warum war das so? – Die Mutter zeigte aufrichtiges Interesse: Sie hat den Stoff gefühlt und die Kleidung an der Tochter. Den Vater hat das nicht interessiert und das spürte die Jugendliche.

Welches Ergebnis hast du aus deinen Recherchen gezogen?

Dass es wichtig ist, dass die Elternteile ihren Kindern offen sagen, worin ihre Behinderungen liegen. Es ist auch sehr wichtig, dass die Bedürfnisse aller berücksichtigt werden. Und das Erfreuliches wie Belastendes klar benannt werden. Doch wenn das gegeben ist, dann sind die Töchter und Söhne insgesamt recht zufrieden mit den Müttern und Vätern und es wurde viel gelobt.

Du hast eines der ersten Bücher in dieser Materie geschrieben. Warum, denkst du, ist dieses Thema ein Randgebiet oder teilweise immernoch ein Tabuthema? War es schwierig hierfür einen Herausgeber zu finden?

Das Buch herauszugeben war recht einfach: Der Verlag ist auf die Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten spezialisiert und ich bin vom Design ganz begeistert. Und ich habe ganz schnell eine Zusage bekommen.

Ich denke, dass insgesamt doch die sogenannten nicht behinderten Fachleute dominieren: die Ärzte, Psychologen die Förderschulpädagogen, die Erzieher und die Sozialpädagogen und die Heilpädagogen und die Heilerziehungspfleger. Das ist dann überwiegend die Perspektive von Menschen, die selbst als Person mit ihrem Körper und ihrem Denken keine Erfahrungen mit einer Behinderung gemacht haben. Wenn man in eine Unibibliothek geht, sieht man die Bücher, in denen Betroffene berichten oft ganz oben oder ganz unten. Ich finde es auch okay, wenn Nicht-Behinderte sich Wissen anlesen und ihren Beruf als Nicht-Behinderte mit Menschen mit Behinderungen machen. Es ist sicher auch mal hilfreich und interessant, die Perspektive eines Menschen zu erleben, der selbst keine Behinderung hat. Allerdings finde ich es genauso wichtig, dass sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis Menschen mit Behinderungen Professionelle sind und als Experten in eigener Sache ihr Wissen einbringen.

Wirkt sich diese Arbeit auf dein weiteres Leben aus?

Einmal direkt: Ich fahre herum und halte Vorträge, mache Lesungen und halte Fortbildungen und Workshops. Nebenberuflich.

Und dann natürlich, dass ich mich sehr bereichert fühle von den vielen Erfahrungen meiner Interviewpartner. Ich danke den Interviewpartnern dafür, an den Erlebnissen teilhaben zu dürfen! Und den Lesern meines Buches und den Besuchern meiner Veranstaltungen für ihr Interesse.

Vielen Dank für das Interview!

 

wheelymum

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