Eltern mit Behinderung: Eine „Normale“ Mama erzählt

geschrieben am 28 Jan. 2016

 

Im Rahmen der Blogreihe: Eltern mit Behinderung, ist es mir auch wichtig, Gedanken und Eindrücke von gesunden Eltern, zu zeigen. Haben Sie Kontakt zu „anderen“ Eltern? Wie gehen Sie damit um? Welche Ängste haben Sie? Heute schreibt Renate von Mamis Blog  bei mir. Sie ist Mama von zwei Töchetern (3 Jahre und 8 Monate) und schreibt in ihrem Blog zu den Themen: Familienalltag, Schwangerschaft, bedürfnisorientierte Erziehung und alles, was Sie beschäftigt und bewegt.  Heute ihre Gedanken zum Thema: Eltern mit und ohne Behinderung.

„Eltern mit Behinderungen“, ob ich dazu etwas schreiben möchte, hat mich die liebe Ju gefragt.

Das Thema ist eine große Herausforderung für mich und am Anfang des Artikels habe ich keine Idee, ob mir überhaupt etwas Passendes und Sinnvolles dazu über die Tasten kommt und wie dieser Artikel enden wird.
Weil es ein wichtiges Thema ist, das meiner Meinung nach viel mehr Gehör
bekommen soll, möchte ich es zumindest probieren.

Bevor ich über Twitter auf den Blog von wheelymum aufmerksam geworden bin, hatte ich überhaupt keine Berührungspunkte zu Eltern mit Behinderungen, zumindest nicht bewusst. Erst durch die Unterhaltungen mit ihr und den anschließenden Blick auf ihren Blog wurde ich damit konfrontiert. Und als Erstes stiegen in mir Mitgefühl und Respekt auf -Mitgefühl über die traurige Tatsache, dass sie von dieser Behinderung betroffen ist und Respekt davor, wie sie das alles hinbekommt trotz und mit dieser Behinderung.

 

Als ich dann ein bisschen weiter las, kamen noch
Wut und Traurigkeit dazu über diejenigen, die sich quer stellen und so unqualifizierte Reaktionen geben, wie in diesem Artikel beschrieben ist:
https://wheelymum.wordpress.com/2016/01/07/eltern-mit-behinderung/#more-3289
Im weiteren Schritt sind da noch Gefühle wie Angst und Dankbarkeit in mir aufgestiegen: Angst, dass so etwas scheinbar jederzeit ohne Vorankündigung passieren kann, sei es durch Unfall oder Krankheit.
Dankbarkeit dafür, dass ich gesund bin.

Und nun zurück zum eigentlichen Thema: Eltern mit Behinderungen.

Warum habe (bzw. hatte, bevor ich Ju über Twitter ‚kennenlernte‘) ich eigentlich hier keine Berührungspunkte? Gibt es keine Eltern mit Behinderungen in meinem Umfeld oder sehe ich sie nicht oder lassen sie sich nicht sehen oder erkenne ich sie nicht oder schaue ich darüber hinweg oder oder oder?

Was heißt das eigentlich „Eltern mit Behinderungen“? Behinderungen werden ja nicht nur die körperlichen Beeinträchtigungen genannt, durch die z. B. ein Rollstuhl nötig wird.
Geistige Behinderungen sind nicht unbedingt auf den ersten Blick
erkennbar und doch sind sie da. Aber was hat es eigentlich zu sagen „mit Behinderung“? Muss das immer offensichtlich sein und spielt es überhaupt eine Rolle? Eltern mit Behinderungen sind genau wie Eltern ohne Behinderungen. Die Liebe gegenüber den Kindern ist genauso vorhanden, das hat nichts mit einer Behinderung zu tun. Dass Eltern das Beste für ihr Kind möchten und geben, ist ebenfalls unabhängig. Warum also macht das überhaupt einen Unterschied? Ich finde, dass das im Bezug auf Elternsein an sich keinen Unterschied macht. Eltern sind Eltern.

Dass die Behinderung für den Alltag, in unserer Gesellschaft, in unserem Leben, in unseren Köpfen und in der Welt generell einen Unterschied macht, das glaube ich sehr wohl. Denn immernoch werden Behinderte angestarrt, begutachtet, bewertet, belächelt, verachtet und vielleicht sogar ausgelacht und diskriminiert. Das finde ich sehr traurig. Ich bin eine Mama von 2 Töchtern und ich habe das Glück, objektiv betrachtet
keine Behinderungen zu haben.

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Ich habe auf meine Töchter einen nicht zu unterschätzenden Einfluss: sie werden durch mich, durch mein Verhalten, durch meine Gedanken, durch meine Werte und meine Erziehung geprägt und entwickeln dadurch ihre eigene Persönlichkeit, ihr Selbstbewusstsein, ihre Stärke, ihr Lebensmotiv und die Herangehensweise an Herausforderungen, vor die sie das Leben stellt. Was liegt also näher als dass ich ihnen einen angemessenen Umgang mit Menschen mit Behinderungen beibringe, indem ich ihnen erkläre, dass sie diese Menschen eben genauso behandeln wie Menschen ohne (sichtbare) Behinderung? Denn wenn ich mich so in die Lage versetze, dann möchten Menschen mit Behinderung vielleicht gar keine Sonderrolle spielen, sondern in erster Linie als Mensch wahrgenommen werden.

Im zweiten Schritt, wenn ersichtlich ist, dass durch die Behinderung eine Situation entsteht, in der ich behilflich sein kann, dann helfe ich natürlich und wünsche mir auch, dass meine Töchter das tun – am Besten unaufgefordert. Aber nicht wegen der Behinderung, sondern weil Hilfe gebraucht wird. Wenn jemandem auf der Straße etwas herunterfällt, hebe ich das auf. Wenn jemand etwas verliert und ich das sehe, weise ich darauf hin oder bringe es zurück. Wenn jemand stürzt, helfe ich ihm aufstehen oder rufe Hilfe. Dafür könnte ich noch unzählige Situationen nennen. Und genauso reagiere ich auch, wenn ein Mensch mit Behinderung Hilfe braucht – einfach weil Hilfe gebraucht wird.

Jetzt noch einmal zurück zum Thema Eltern, also wenn Menschen mit Behinderungen Kinder haben: ich finde das toll. Warum nicht?

Die Kindernehmen ihre Eltern doch nicht als mit Behinderung wahr, sondern als ihre Eltern. Erst, wenn sie andere Kinder mit ihren Eltern sehen, merken sie vielleicht, dass ihre Eltern anders sind. Für die Kinder von Menschen mit Behinderungen ist es das Normalste der Welt, denn sie kennen ihre Eltern ja (meistens) nicht anders. Und für sie sind sie die besten Eltern, so wie sie sind. Wie wir alle für unsere Kinder die besten Eltern sind (hoffentlich). Ich finde, es gibt keine Definition für „normal“. Sondern „normal“ ist in erster Linie das, was man kennt – also das Gewohnte. Die Kinder von Eltern mit Behinderungen sagen wahrscheinlich erstmal, dass das, was sie erleben, normal ist. Und das ist gut so, weil es eben nicht unnormal, sondern einfach nur anders ist.
Ich denke, dass diese Kinder rücksichtsvoller aufwachsen, weil sie
merken, dass Mama oder Papa manchmal Schmerzen haben, manchmal nicht gut drauf sind, manchmal auf Hilfe angewiesen sind und durch gewisse Besonderheiten Anpassungen erforderlich sind. Das ist eine positive Eigenschaft, die die Kinder dadurch erlernen und die ihnen in ihrem Leben sicherlich auch zugute kommen. Sie erlernen Toleranz und Offenheit, was vielen Mitmenschen heutzutage wirklich fehlt.

Im Bezug auf das Wort „Behinderung“ fällt mir aber noch etwas ganz anderes ein, und zwar rein sprachlich, also wenn ich das Wort alleinstehend betrachte. Ich selbst denke sehr viel nach über richtig und falsch, stehe mir durch meine Gedanken manchmal selbst im Weg und mache vieles dadurch viel komplizierter – für mich, meine Kinder, meinen Mann, meine Mitmenschen, mein Umfeld.

Wenn ich also allein das Wort betrachte, behindere ich mich dadurch sehr oft selbst. Meine Gedanken versperren mir den Weg, meine Bedenken behindern mich in meinem Handeln, meine Befürchtungen stehen mir im Weg und behindern mein Tun und Entscheiden.

 

Liebe Ju, danke schön, dass Du mit Deinem Blog den Menschen mit
Behinderung einen Platz bietest, um sichtbar zu werden, um zu Wort zu kommen und um ihnen und allen Mut zuzusprechen. Du bist ein ganz toller Mensch und die Stärke, die Du hast, soll anstecken und zum Nachdenken anregen. Danke schön, dass ich zu Wort kommen durfte und mir Gedanken zu diesem wichtigen Thema machen durfte, zu dem ich bisher wirklich wenig Berührungspunkte hatte.

wheelymum

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