Ein Tag für Menschen mit Behinderung im Landtag

Es ist Donnerstag Vormittag als ich mit meiner Begleitung in den Zug fahre, Einmal umsteigen mit angemeldetem Hubluft später, sind wir in Stuttgart. Dort lacht die Sonne vom Himmel und ich mache mich auf den Weg Richtung Schlossgarten durch den ich fahren möchte, bevor ich im Landtag ankomme. Auf dem Weg vor mir sehe ich einen Aktivrollstuhlfahrer und denke ihm folge ich einfach. Einen Moment später werde ich angesprochen: „Wollen sie auch zu dieser Veranstaltung im Landtag?“ ich bejahe und es findet ein erstes Gespräch mit einer hauptamtlichen Mitarbeiterin vom VDK statt.

Der Pusteblumenbrunnen in Stuttgart

Vor dem Landtag werden unsere Taschen kontrolliert und nach einer Ausweiskontrolle bekommt jeder ein Namensschild und Tagungsunterlagen. Mit dem Fahrstuhl geht es in das 1. Obergeschoss und dort beginnt der Tag der Menschen mit Behinderung in Baden – Württemberg. Eröffnet wird dieser von der Landtagspräsidentin Frau Aras. Die beginnt ihr Grußwort mit einem Zitat von Raul Krauthausen und endet auch damit wieder.

Zwischendurch berichtet sie, dass im Landtag 154 Abgeordnete sind, dies aber kein Spiegelbild der Gesellschaft sei. Denn Frauen, junge Menschen und Menschen mit Migrationsgeschichte sind unterrepräsentiert. Menschen mit sichtbarer Behinderung sind im Parlament von BW gar nicht vertreten. Doch es ist bekannt, dass Politik vielfältige Perspektiven brauche.

Auf einer Leinwand stehen die Worte der Redner

Für die gesamte Veranstaltung gab es Gebärdensprachen und Schriftdolmetscher – auch das ist ein wichtiges Thema, das diese für echte Teilhabe finanziert werden müssen. Immer.

 

Nach ihr übernimmt Simone Fischer das Wort, die Beauftrage der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung hofft auf einen austauschreichen Tag in dem wir uns alle einbringen können. Ihr Motto lautet: Gemeinsam Politik gestalten. Nicht nur aus diesem Grund arbeiten sie gerade daran, zum 70. Geburtstag der Landesverfassung im November diese in leichter Sprache zu veröffentlichen.

Im nächsten Schritt spielt die Band Groove Inclusion und alles wird etwas aufgelockert. Moderiert wird die Veranstaltung sehr erfrischend von Zuhal Mössinger-Soyhan.

Ich schaue durch das Foyer und habe das Gefühl: Ich bin nicht alleine. Wir sind so viele. Alle unterschiedlich. Jeder für sich. Geschlecht, Alter, Augenfarbe, Behinderung,… aber wir sind viele. Dieses Gefühl macht etwas mit mir und ich fühle ganz deutlich:

#representation matters

 

Im nächsten Schritt geht es an Thementische zu denen wir uns bei der Anmeldung gemeldet haben. Ich bin in den Bereichen Bildung und Mobilität – es gibt noch Gesundheitswesen und Wohnen. In diesen Arbeitsgruppen werden ganz offen verschiedenste Punkte an – und ausgesprochen, unterschiedliche Sichtweisen dargestellt, aus dem Alltag berichtet und es geht teilweise auch ziemlich zur Sache.

Ich lächle in die Kamera und sitze im Plenarsaal. Im Hintergrund sieht man das goldene Wappen von BW

Deutlich wird, dass ein Recht nicht verpflichtet und dass Inklusion Platz und Geld braucht. Das Bundesteilhabegesetz ist gar nicht schlecht, aber die Umsetzung ist noch immer mehr als schlecht. Noch immer ist Barrierefreiheit nicht automatisch mitgedacht, so wird aktuell eine neue Bildungsplattform eingerichtet die nicht für Sehbehinderte Menschen abrufbar ist. Das solle später nachgerüstet werden.

Hier liegt ein weiteres Problem. Alle Dinge die erst nachgerüstet werden, sind teuer. Viel einfacher, inklusiver und schneller wäre es gleich barrierefrei zu planen und umzusetzen. In allen Bereichen.

Das kann nur Gelingen, wenn diese Themen in allen Bereichen in der Ausbildung mit gelehrt werden und Menschen mit Behinderungen in den Berufen arbeiten – in die Planungen miteinbezogen werden.

Beim Thema Mobilität gibt es auch viele Unterpunkte – Bahnfahren, Autofahren, wo dürfen Rollstuhlfahrer fahren oder warum ist es wichtig, wie Radfahrerspuren von Fußgängerwegen getrennt sind.

Boden. Ein weißer Strich in der Mitte. Auf der rechten Seite ist ein Piktogram mit MUtter und Kind

Morgens mache dieses Foto. Ich ärgere mich, dass ich das Piktogram vom Radfahrer nicht mit darauf habe. Ich überlege mir, wo ich fahren darf, Denn die abgesenkten Bordsteinkanten sind auf der Radspur nicht beim Fißgänger. Im Laufe des Tages erfahre ich, dass diese Trennungssteifen für Blinde Menschen furchtbar sind, sie müssen zumindest haptisch hervorgehoben werden. Das ist völlig logisch, war mir dennoch nicht bewusst.

Ziel der Arbeitsgruppen ist es, diese Dinge zusammenzutragen uns sie am Nachmittag im Plenum einzelnen Mitgliedern der Parteien aus dem Sozialausschuss vorzustellen und dazu Fragen zu stellen.

Typisch Schwäbisch gibt es Maultaschen und Kartoffelsalat zum Mittagessen. Nette und neue Begegnungen gibt es ich dazu. Ich habe wieder etwas neues über Gebärdensprache gelernt, mich mit einer Mutter mit Sehbehinderung unterhalten. Als ich die Sonne vor dem Landtag genießen will, treffe ich auf Simone Fischer und Verena Sophie. Mit ihr unterhalte ich mich so lange, bis ihr Handy klingelt und sie den Anruf erhält, dass die ARD nun kommen wird um für die Tagesschau über pflegende Angehörige zu berichten.

Ich fahre wieder nach oben und höre Ines Vorberg aus dem Landesverband Selbsthilfe beim Podiumsvortag zu. Sie spricht komplett frei und das beeindruckt mich sehr. Sie leitet eine EUTB. Ich spüre, wie ich müde werde, die vielen Menschen und Eindrücke strengen mich doch sehr an.

Wir wechseln den Saal und es geht noch ein letztes Mal an die Thementische um gezielte Punkte zu formulieren. Insgesamt hätte ich mir hier etwas mehr Zeit gewünscht um tiefer in die einzelnen Themenbereiche einzusteigen. Ich lerne aber wieder etwas. Lebenslanges Lernen ist wichtig. Das ist mir bewusst. Was ich nicht wusste, ist die Tatsache, dass es in Stuttgart seit 2013 die VHS inklusiv gibt. Ein Angebot, dass es noch so viel öfters geben sollte.

Den ganzen Tag über denke ich, wie viele wir sind. Viele Selbstvertretungsverbände sind beteiligt, auch Einzelpersonen, selbst betroffen oder aus dem Bereich Pflegende (Angehörige), Für mich persönlich sind aber viel zu wenig junge Menschen hier. Das sollen noch viel mehr sein, damit sich etwas verändern kann. Ich erwähne auch den neu gegründeten Selbstvertretungsverband von behinderten Kindern und Jugendlichen.

Hier würde ich mir wünschen, dass noch so viel mehr sich einbringen können.

Frau Aras hat in ihrer Eröffnungsrede auch dafür geworben, dass sich behinderte Menschen für Kommunal – und Landtagswahlen aufstellen lassen und die Parteien hier in die Pflicht genommen, das durch Listenplätze abzusichern.

Wie wichtig wären hier auch junge Menschen mit Behinderung in der Politik.

 

Nach etwas politischer Selbstbeweihräucherung was bereits alles auf den Weg gebracht wurde auf dem Podium und einem AFD – Mitglied der meinte Menschen mit Behinderung hätten keine barrierefreien Wohnungen wegen den Ausländern, wird mir kurzfristig schlecht. Schade ist es, dass hier zwar die Forderungen aus den Arbeitsgruppen vorgetragen aber keine Wortmeldungen mehr zugelassen werden.

Der Gebärdenchor Hands on music singt und tanzt für uns und danach tritt Kai Bosch als Poetry Slammer auf.

 

 

Ich muss jetzt leider los, denn ich muss mich 30 Minuten bevor mein Zug zurück fahrt an der DB Information am Bahnhof melden. Ich verlasse den Landtag nach einem ereignisreichen Tag. Hinter mir fährt eine weitere E – Rollstuhlfahrerin. Sie muss auch zum Bahnhof. Sie muss in den gleichen Zug wie ich. Am Bahnhof treffe ich meine Begleitung wieder. Wir fahren zu dritt zurück und unterhalten uns. Es wird deutlich, dass wir die selben Erfahrungen machen und uns gut verstehen.

Zwei  Rollstuhljocksticks nebeneinander

 

Aber darüber schreibe ich ein anders Mal

wheelymum

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