Gender – auch in der Medizin? Oder gerade dort?

Der Begriff „Gender“ stammt aus dem Englischen und steht für das soziale Geschlecht eines Menschen. Uns ist der Begriff vielleicht von der Diskussion ums Gendern am bekanntesten. Doch Gender ist so viel mehr. Gerade auch in der Medizin ist es ein Punkt, der leider immer noch zu häufig vergessen wird.

In meinem weiteren medizinischen Umfeld, sind viele Ärzte und einige Ärztinnen vertreten. Was aber viel zu selten bedacht wird, ist die Tatsache, dass nicht selten Krankheiten bei Frauen anders verlaufen als bei Männern. Doch noch immer sind Männer der Maßstab in der Medizin. Die gängigen Krankheitsbilder und auch viele der Medikamente sind in ihrer Wirkung und Dosierung auf Männer zugeschnitten. Das liegt auch daran, dass nach dem Contergan Skandal in den 60 er Jahren, Frauen aus Medikamententests ausgeschlossen wurden. Mittlerweile hat sich das geändert aber dennoch sind Frauen weiterhin unterrepräsentiert. Zudem gibt es noch immer Medikamente auf dem Markt, welche nie an Frauen getestet wurden.

 

Neben diesen Tatsachen gibt es teilweise gravierende Unterschiede in den Krankheiten. Das bekannteste Beispiel ist wohl der Herzinfarkt. Mittlerweile ist es bekannt, dass Frauen bei einem Herzinfarkt ganz andere Symptome als Männer haben können. Vor den 2000 Jahren, wurde genau aus diesem Grund bei vielen Frauen der Herzinfarkt zu spät oder gar nicht diagnostiziert.

Gerade bei älteren Frauen sind die Herzinfarktsymptome weniger charakteristisch. Der typische starke Brustschmerz, der auch in verschiedene Körperregionen ausstrahlen kann, macht sich bei ihnen manchmal weniger heftig bemerkbar als bei Männern. Frauen berichten eher von einem Druck- oder Engegefühl in der Brust. Weitere Symptome für einen Herzinfarkt können bei Frauen sein:

  • Kurzatmigkeit / Atemnot
  • Schweißausbrüche
  • Rückenschmerzen
  • Übelkeit
  • Erbrechen 
  • Schmerzen im Oberbauch
  • Ziehen in den Armen
  • Unerklärliche Müdigkeit

Dieses Beispiel zeigt, wie unterschiedlich wir auf Krankheiten reagieren.

Dr. Christiane Groß erklärt:

„Frauen haben einen völlig anderen Stoffwechsel, andere Hormone, ein anderes Immunsystem, weniger Muskelmasse und einen höheren Körperfettanteil. Bei vielen Erkrankungen klagen sie über gänzlich andere Symptome als Männer.“

Es ist wichtig, die Unterschiede wahrzunehmen und in der Diagnose und der Behandlung zu berücksichtigen. Denn es ist kein einseitiges Phänomen. Bei Männern werden Depressionen zum Beispiel oft übersehen oder später diagnostiziert, da nicht alle die bekannte Niedergeschlagenheit als Symptom haben, sondern eher gereizter sind, leichter zu Suchtmitteln greifen oder die Symptome sich körperlich äußern.

In der Medizin ist es so wichtig, den ganzen Menschen zu sehen und auch die Unterschiede zwischen den Geschlechtern wahrzunehmen. Die Gendermedizin will hier Aufmerksamkeit und Grundlagen schaffen. In Facharztausbildungen ist diese bereits vertreten, im Studium leider immer noch nicht. Berlin und Bielefeld sind aktuell die beiden Lehrstühle in Deutschland für Gendermedizin. Es liegt also auch hier noch ein langer Weg vor uns. Gleichzeitig ist es auch für uns Patient:innen wichtig, für uns einzustehen und zumindest schon einmal davon gehört zu haben, dass nicht alles auf jede Patient:in passend ist.

 

Eure 

wheelymum

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