So langsam sollte ich ein eigenes Regalfach freiräumen mit dem Titel: Bücher von Bloggern und Twitterfreunden. Es gibt lustig Bücher, Erziehungsratgeber und es gibt die Bücher von Menschen mit Behinderungen, meist zu den Themen Inklusion und Barrieren.
Kann man da noch was machen?: Geschichten aus dem Alltag einer Rollstuhlfahrerin*
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Solch ein Buch ist auch das heutige Buch der Bücherwoche. Laura Gehlhaar bloggt unter Frau Gelhaar und wurde mit ihrem Rollstuhlfahrer – Bullshitbingo bekannt. Aber auch ganz unabhängig davon, ist ihr Blog eine Leseempfehlung. Wenn man sich online mit dem Thema Inklusion oder Behinderung auseinandersetzt, kommt man ziemlich bald zu Raul Krauthausen, Mareice Kaiser und eben zu Frau Gehlhaar Im Heyne Verlag ist ihr Buch: Kann man da noch etwas machen“ erschienen.
Laura beschreibt offen, ehrlich und mit frecher Schnauze ihr Leben. Von der Kindheit, das ihr Düsseldorf zu eng wurde (Hier musste ich Dorfkind herzlich lachen), von mitleidigen Blicken, zu ihrem Studium, und ihrer Arbeitsstelle. Dabei habe ich auch noch etwas mehr über sie als Person erfahren. Schon alleine aus diesem Grund gefällt mir das Buch. Teilweise konnte ich mich auch komplett darin wiederfinden. Aber wisst ihr was? Darum geht es gar nicht.
In dem Buch geht es um Respekt. Respekt deinem Gegenüber und vor dir selbst. Alleine diese Punkte machen es zu einem Lesenswerten Buch für uns alle.
In ganz unterschiedlichen Kapiteln, erfährt man viel von der Frau. Der Frau mit Rollstuhl Manfred. Aber in erster Linie auch von ihrer Persönlichkeit. Die Kapitel sind gefüllt mit Erlebnissen, Gedanken und Erfahrungen. So zeigt sich teilweise eine humoristische, selbstkritische aber auch gesellschaftskritische, provozierende und tiefsinnige Autorin. Ich mag diesen Stilmix sehr, auch wenn ich manchmal dachte… jetzt sei doch lieber still. Vielleicht spricht aus mir da aber auch die Mama, denn auch ihre Mama denkt dies wohl ähnlich. Es gibt so viele Punkte bei denen ich sagte, ja ganz genauso: Von Blicken, über das Drama beim Ticketkauf bis hin zum getragen werden. Ganz besonders gefallen haben mir die Kapitel vom Treffen mit Raul Krauthausen, indem beschrieben wird, dass man sich so verstanden fühlte. Das hat mich tief berührt. Und das Kapitel, als die Autroin ganz alleine Party machen ging und endlich so angenommen wurde, wie sie ist. Aber auch das Thema Partnerwahl und Sex wird nicht ausgespart. Ja. auch Rollstuhlfahrer haben Sex.
Und ihr Traum.
Ich habe einen Traum.
Manchmal würde ich mich gerne einfach mal in aller Öffentlichkeit zurücklehnen, meine schwere Rüstung mit all den drückenden Dellen fallen lassen, das Schwert niederlegen und zugeben, dass so eine Behinderung zu haben tatsächlich nicht immer leicht ist. Ich würde offen zugeben, dass meine Behinderung viele Spuren von großen Schlachten und kleinen Kriegen in mir hinterlässt, die nur keiner unter der manchmal viel zu schweren Rüstung zu Gesicht bekommt. Weil ich gelernt habe, diese Rüstung niemals, wirklich niemals da draußen in der Welt abzulegen….. ( Seite 69)
Kann man da noch was machen, ist ein Buch für jeden. Ein Buch zum eigenen Umgang reflektieren und zum aufrütteln. Menschen mit Behinderung dürfen nicht weiter behindert werden. Und um dies zu ändern sind solche Bücher sehr wichtig. Neben dem Rollstuhl und ihrer Erkrankung, schreibt sie auch von und für ihren Bruder Julian. Ihm hat sie das Buch gewidmet. Ihr Bruder ist Gehörlös, hat Epilepsie und eine Lernbehinderung. Er kann nicht alleine leben. Auf Grund seiner Behinderung stht er am Rand der Gesellschaft. Das muss man sich einmal vorstellen. Wir sortieren Menschen aus – sie leben in seperaten Wohnheimen und arbeiten in eigenen werkstätten. Auch das ist eine Frage, die sich mir persönlich immer wieder stellt. Warum sieht man so wenig Menschen mit Behinderung? In der Dansagungung schreibt Frau Gehlhaar
“Julian, durch dich weiß ich, wie sich bedingungslose Liebe anfühlt – sie ist groß und stark und füllt alle dunklen Ecken mit hellem Licht. Du bist meine Aufladestation, wenn es mir nicht gut geht. Ich hasse es, dass du zu den vergessenen Menschen in dieser Gesellschaft gehörst.”
Danke Frau Gehlhaar, für die freche Schnauze und das über den Tellerrand lehnen. Für Aussagen, die ich mich so (noch) nicht getraut habe, für die Direktheit und Tabulosigkeit. Für das Wiederfinden in den Zeilen, aber auch für das Kopfschütteln und das Nachdenken.
Eure